Die Geldmaschine läuft wie geschmiertLisicki stürmt ins Viertelfinale

London. Als Roger Federer in der Woche vor dem Wimbledon-Turnier über die menschenleere Anlage des All England Clubs marschierte, erfreute er sich an der üppigen Blumenpracht, den sauber gepflegten Courts, dem neugebauten Court 3, der sich mit souveräner Selbstverständlichkeit ins ehrwürdige Gesamtbild einfügte

London. Als Roger Federer in der Woche vor dem Wimbledon-Turnier über die menschenleere Anlage des All England Clubs marschierte, erfreute er sich an der üppigen Blumenpracht, den sauber gepflegten Courts, dem neugebauten Court 3, der sich mit souveräner Selbstverständlichkeit ins ehrwürdige Gesamtbild einfügte. "Einen schöneren Platz zum Tennisspielen kann ich mir einfach nicht vorstellen", sagte der 29-jährige Eidgenosse, dessen Name bereits sechs Mal auf der holzgetäfelten Ruhmesgalerie der Champions verewigt ist.Die Grün-Anlage im Südwesten Londons ist zweifellos das idyllischste Tennis-Fleckchen der Welt. Doch an der Church Road kommt Jahr für Jahr auch eine gewaltige Geldmaschine ins Rollen, die dem traditionsreichsten Tennisclub der Welt prächtige Geschäfte beschert. "Wimbledon ist eine der profitabelsten Sportveranstaltungen überhaupt", sagt Tim Philipps, der ehemalige Chef des All England Clubs, der im Vorjahr sein Amt abgab, nachdem das Abenteuer einer Centre-Court-Überdachung überstanden war. Auch für das atemraubendste Projekt der langjährigen Modernisierung der Turnieranlage wurde kein Cent an Steuergeldern eingesetzt. Den finanziellen Kraftakt mit etwa 100 Millionen Euro Baukosten stemmten die Wimbledon-Macher vor allem über den Verkauf von exklusiven Ticketrechten. "Wir legen großen Wert auf unsere Unabhängigkeit", sagt der Geschäftsführer des Clubs, Ian Ritchie.

Früher als viele Veranstalter und internationale Verbände hatte Wimbledon vor einem Jahrzehnt seine Fühler auf Wachstumsmärkte in Asien und Südamerika ausgestreckt. Während anderswo noch Expansionspläne in den Schubladen schmorten, eröffnete der All England Club Läden in China, Thailand oder Singapur. "Nirgendwo ist Wimbledon so beliebt, wie in den Schwellenländern in Asien", sagt der frühere Wimbledon-Topmanager Christopher Gorringe, "dort haben wir Einschaltquoten bei Spielen mit nationaler Beteiligung von über 50 Prozent". Die Spiele der inzwischen ausgeschiedenen French-Open-Königin Li Na sollen in der ersten Woche bis zu 100 Millionen Chinesen verfolgt haben.

Wimbledon wirkt einerseits wie ein einziger Anachronismus, da es auch in diesen Zeiten der totalen Vermarktung auf reißerische Werbebanden verzichtet und auch die Spieler anhält, weiter im "überwiegend weißen Dress" ans Handwerk zu gehen. Doch die Wahrung des Mythos können sich die Gralshüter leisten, da sie mit dem Verkauf von Lizenzen, Fernsehrechten und dem Merchandising jährlich einen Reingewinn von bis zu 35 Millionen Euro einstreichen. Bei den TV-Rechten gab es vorübergehend zwar einen Einbruch, weil die einst so generösen deutschen Fernsehpartner als Geldquelle ausfielen - aber längst sieht die Bilanz dank Geldern aus Asien und auch aus den Ländern Osteuropas wieder viel freundlicher aus.

Die Grand-Slam-Veranstalter in Paris oder New York können nur neidisch nach Wimbledon schauen, das mit dem Regen-Schirm über dem Centre Court endlich auch eine größere Veranstaltungs-Sicherheit besitzt - dann, wenn es mal wieder gießt. In den ersten Turniertagen 2011 war das verschiebbare Dach fast immer im Einsatz, sehr zur Freude der TV-Partner, die keine Konserven mehr aus ihrem Archiv senden müssen.

London. Die Wimbledon-Reise von Sabine Lisicki geht weiter. Ohne zu glänzen, aber sehr souverän hat die Weltranglisten-62. gestern durch das 7:6 (7:3), 6:1 gegen die Tschechin Petra Cetkovska ihren Siegeszug bei den 125. All England Championships fortgesetzt und zum zweiten Mal nach 2009 das Viertelfinale erreicht. Das garantiert ihr 154 727 Euro und einen riesigen Sprung nach vorn in der Weltrangliste. Von Rang 62 wird sie unter die Top 35 vorstoßen - und für die Aufschlag-Gigantin ist noch mehr möglich. Im Viertelfinale wartet heute Ex-Finalistin Marion Bartoli. Die Französin bezwang gestern überraschend Titelverteidigerin Serena Williams bei ihrem Comeback-Turnier mit 6:3, 7:6 (8:6).

Ohnehin war gestern an der Church Road das große "Favoritensterben" angesagt. Auch für Venus Willams ist das Turnier beendet. Sie war gegen die Bulgarin Tsvetana Pironkova chancenlos (2:6, 3:6). Und mindestens genauso überraschend schied die Weltranglisten-Erste Caroline Wozniacki aus. Die Dänin schien die Slowakin Dominika Cibulkova im Griff zu haben, gewann den ersten Satz locker mit 6:1, musste sich dann allerdings mit 6:7 (5:7), 5:7 beugen. dpa

wimbledon.org

"Wir legen großen Wert auf unsere Unabhängig-

keit."

Ian Ritchie, Geschäftsführer des All England Clubs

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