Der neue "Rehakles"

Legiowono. Nur selten reagiert er genervt. Wie oft er seit Beginn der Fußball-EM nach Vorgänger Otto Rehhagel gefragt wurde, mag Fernando Santos nicht mehr zählen. Dem fast täglich wiederkehrenden Ritual entgegnet der griechische Nationaltrainer mittlerweile mit dem taktischen Geschick eines Diplomaten

 Griechenlands Nationaltrainer Fernando Santos wird allerorts mit Otto Rehhagel verglichen. Das gefällt dem Portugiesen nicht wirklich. Er habe seine eigene Philosophie. Foto: Weiken/dpa

Griechenlands Nationaltrainer Fernando Santos wird allerorts mit Otto Rehhagel verglichen. Das gefällt dem Portugiesen nicht wirklich. Er habe seine eigene Philosophie. Foto: Weiken/dpa

Legiowono. Nur selten reagiert er genervt. Wie oft er seit Beginn der Fußball-EM nach Vorgänger Otto Rehhagel gefragt wurde, mag Fernando Santos nicht mehr zählen. Dem fast täglich wiederkehrenden Ritual entgegnet der griechische Nationaltrainer mittlerweile mit dem taktischen Geschick eines Diplomaten. Im Wissen um die hohe Popularität des Deutschen gibt er sich geschmeichelt: "Für mich ist es eine große Ehre, Nachfolger von Rehhagel zu sein." Doch sein Mienenspiel verrät Unmut: Bereits im nächsten Satz verweist Santos auf Unterschiede: "Rehhagel hatte seine Philosophie, ich habe meine."Für den Portugiesen ist es schwer, aus dem langen Schatten seines Vorgängers zu treten. Rehhagels sensationeller EM-Triumph von 2004 gilt vielen Griechen als Maßstab. Aber Santos macht Fortschritte. Selbstzufrieden beobachtete er gestern das Training seiner Mannschaft und zog dabei genüsslich an seiner Zigarette. Der Trainer hat allen Grund zur Zufriedenheit: Der Einzug der Nationalmannschaft in das EM-Viertelfinale, in dem sie am Freitag (20.45 Uhr) in Danzig auf Deutschland trifft, verbesserte seinen Stellenwert in Griechenland beträchtlich. Mit dem 1:0 über Russland schlug die nach schwachem Turnierstart lauter werdende Kritik in Lob um.

Vergleiche mit "Rehakles" sind nicht nur aufgrund der aktuellen EM-Erfolgsgeschichte des Teams naheliegend. Wie der zuletzt bei Bundesliga-Absteiger Hertha BSC gescheiterte Routinier Rehhagel (73) setzt auch der 57 Jahre alte Santos auf eine wenig attraktive Defensivstrategie. Nur 14 Tore schoss sein Team in zehn EM-Qualifikationsspielen, blieb dabei aber ungeschlagen. "Griechenland hat keinen Messi, also hat die Taktik bei uns allererste Priorität", kommentierte der Fußball-Lehrer.

Gegen kritische Kommentare von Fußball-Ästheten, die diese defensive Spielphilosophie als wenig zeitgemäß bezeichnen, setzt sich Santos zur Wehr. Seiner Meinung nach hat die griechische Mannschaft mehr zu bieten als Mauerfußball: "Wir wären nicht hier bei der EM-Endrunde, wenn wir nur in der Defensive gut wären." Der Erfolg gibt ihm recht: Seit seinem Amtsantritt im Jahr 2010 hat die Nationalelf erst zwei Spiele verloren. Deshalb verlängerte der griechische Verband den Vertrag mit Santos bereits vor der EM bis 2014.

Der gelernte Telekommunikations-Ingenieur hat große Pläne. Anders als Rehhagel hat er den heimischen Fußball auch auf Vereinsebene kennengelernt. Immerhin drei Mal wurde Santos in der Super League zum Trainer des Jahres gewählt. Es sei wichtig, "die Strukturen des griechischen Fußballs neu zu denken", sagte er bei seiner Vertragsverlängerung im April. Das habe Rehhagel vernachlässigt. In einem unlängst geführten Interview vergaß Santos zumindest für kurze Zeit sein diplomatisches Geschick und wagte Kritik an seinem prominenten Vorgänger: "Er war in Deutschland, kam zu den Spielen und kümmerte sich nur um die A-Mannschaft. Ich versuche jetzt, den Fußball von den Jugendmannschaften bis zu den Senioren zu organisieren."

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