„Seelenporno“ mit Fräulein Julie

Saarbrücken · Leidenschaftlich und körperbetont geht es am Sonntag bei der Premiere von „Fräulein Julie“ zu. Der Regisseur sieht in dem Stück nicht nur eine dramatische Dreieckskiste, sondern einen ganz realen, aktuellen Klassenkampf.

 Andreas Anke und Yevgenia Korolov bei den Proben. Foto: Stöß

Andreas Anke und Yevgenia Korolov bei den Proben. Foto: Stöß

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Man könnte es auf den ersten Blick für eine Dreiecksgeschichte à la Virginia Woolf halten, sagt Christoph Mehler über Johan August Strindbergs Drama "Fräulein Julie" von 1888, das der Regisseur gerade für das Saarländische Staatstheater inszeniert. Da geht die hochherrschaftliche junge Dame kokett mit dem Hausdiener ins Bett, während dessen Verlobte bei der Küchenarbeit einschläft. Hinterher gibt's Katzenjammer. Selbst wenn sie selbstwusst glaubt, zu ihm gutwillig herabgestiegen zu sein, so gelte sie doch fortan als "gefallen", hält Diener Jean der Julie entgegen und gleich noch das Rasiermesser für ihren Selbstmord parat.

Seelendrama? Beziehungsgeschichte? Psychologie? Kampf der Geschlechter? Das alles interessiert den gebürtigen "Ostberliner" nicht. Wenn, dann sei das eher eine Farce, ein Spiel, ein "Seelenporno", denn das Stück sei alles andere als naturalistisch, sondern sehr genau konstruiert. Sein Kern: das Herr-Diener-Verhältnis, was auch Strindberg in seinem Vorwort erwähnt. "Es geht um eine Art Klassenkampf , bei der die eine, überholte Klasse von einer anderen, neuen abgelöst wird", erklärt Mehler das, was er herausschälen will. Julie, die Herrin, und Jean, der Diener, sind für ihn eher zwei Prinzipien: Sie stehe für das alte Europa, die westliche wohlhabende Welt - er für die Flüchtlinge aus der armen Welt, die über den Zaun klettern wollen. Die dritte Figur ist Kristin, Jeans Verlobte und Julies Köchin. Ob sie eifersüchtig wird oder sich als moralische Instanz aufspielt, ist für Mehlers Ansatz nicht von Belang. Sie wird zur Komplizin Jeans : Beide machen Julie erpressbar. "Alle sind hier sehr auf ihren Vorteil bezogen", betont der Regisseur, der, wie er sagt, sehr körperlich, sehr visuell, doch ohne neue Medien inszeniert.

Er selbst hat "Fräulein Julie" vorgeschlagen. Mehler inszenierte zuletzt drei Jahre am Schauspiel Frankfurt als Hausregisseur. Er mag Stücke mit Leidenschaft und Emotionen. Berlin ist ihm als Wohnort ein Muss. In Saarbrücken sei ja ganz viel los, die Club-Szene müsse sich hinter der Hauptstadt nicht verstecken, meint Mehler. Und dass man hier Prostituierte gleich gegenüber einer Musikschule finde, sei auch ziemlich kurios. Aber in Berlin sei "einfach eine ganz andere Energie". Eine, die Regisseure dazu beflügelt, auf den Putz zu hauen? Mehler grinst: Intendantin Dagmar Schlingmann habe "sicher nicht ohne Grund einen Berliner engagiert."

Premiere: Sonntag, 18 Uhr, in der Alten Feuerwache Saarbrücken . Karten und Informationen: Tel. (06 81) 309 24 86.

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