Schrägster Oscar-Mix seit Jahren

Los Angeles · Bei den Oscars steht eine verrückte Komödie im Rampenlicht: „Birdman“ verspottet Hollywood und doch gibt es neun Nominierungen. Das Indie-Drama „Boyhood“ könnte dem Film jedoch die Show stehlen.

Hebt "Birdman" bei den Oscars ab? Die bittere Komödie über einen Ex-Hollywoodstar, der mit einem Theaterstück am Broadway um Anerkennung buhlt, ist ein heißer Kandidat bei Amerikas wichtigstem Filmpreis. Genauso schräg wie der Titel - "Birdman oder Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit" - ist auch der für neun Oscars nominierte Stoff: ein Schauspieler und seine Stimmen im Kopf. Für seine Fabel über irre Schauspieler und einen gescheiterten Superhelden, der seinem verblichenen Ruhm nachjagt, kramte der mexikanische Regisseur Alejandro González Iñárritu den fast vergessenen Michael Keaton hervor. Der frühere Batman-Darsteller könnte mit der Glanzleistung seinen ersten Oscar gewinnen.

"Birdman" nimmt Hollywoods Eitelkeiten auf die Schippe und trifft damit bei der ehrwürdigen Oscar-Akademie womöglich voll ins Schwarze. Vielleicht können viele der mehr als 6000 Wahlberechtigten der Academy of Motion Picture Arts and Sciences mit Keatons Figur mitfühlen. Schließlich besteht Hollywoods höchstes Filmgremium aus über 75 Prozent Männern - Durchschnittsalter 63. "Birdman" steckte jedenfalls in den letzten Wochen zig Trophäen ein. Doch bis am Sonntag die Gewinner-Umschläge geöffnet werden, bleibt es spannend.

Deutsche Aspekte gibt es bei mehreren Nominierungen: Der bei der Berlinale mit einem Goldenen Ehrenbären ausgezeichnete Wim Wenders könnte in der Sparte "Beste Dokumentation" gewinnen. Er ist mit "Das Salz der Erde" über den brasilianischen Fotografen Sebastião Salgado im Rennen. Zweimal war Wenders schon nominiert, für "Buena Vista Social Club" und für "Pina". Gewonnen hat er noch nie. Chancen hat auch die Doku "Citizenfour" über Whistleblower Edward Snowden ", die der NDR und der BR mitproduzierten. Zudem könnte der in den USA lebende gebürtige Frankfurter Hans Zimmer 21 Jahre nach "Der König der Löwen" den zweiten Oscar als Filmkomponist holen, diesmal für Science-Fiction in "Interstellar".

Alles in allem könnte vor allem das Kindheits- und Jugenddrama "Boyhood" der Komödie "Birdman" die Show stehlen. Über zwölf Jahre hinweg filmte Regisseur Richard Linklater mit einem Mini-Budget die Lebensetappen eines Jungen in Texas. Sechsmal ist das Langzeitwerk nominiert.

Die bunte Komödie "Grand Budapest Hotel" steht trotz neun Nominierungen bei den Hauptpreisen etwas im Abseits. Auf Auszeichnung hofft das Studio Babelsberg, denn die Groteske von Wes Anderson über ein Hotel im Europa der Zwischenkriegszeit wurde von ihm mitproduziert und zum Teil in Deutschland gedreht. Vielleicht schießt auch noch "American Sniper" dazwischen. Das patriotische Drama von Clint Eastwood über den US-Scharfschützen Chris Kyle (Bradley Cooper) hat sechs Chancen, etwa auch als bester Film. Es ist der einzige der acht Kandidaten in der Königskategorie, der an den Kinokassen richtig Geld macht.

Schauspieler-Favoriten sind vier Indie-Darsteller. Als eine an Alzheimer erkrankte Professorin in "Still Alice - Mein Leben ohne Gestern" hat Julianne Moore bereits einige Hauptdarsteller-Preise gewonnen. Auch Eddie Redmayne, der sich in "Die Entdeckung der Unendlichkeit" in den Physiker Stephen Hawking verwandelt, gilt als Favorit. Bei den Nebendarstellern sollten Patricia Arquette als Mutter in "Boyhood" und J.K. Simmons als Musiklehrer in "Whiplash" eine Dankesrede parat haben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort