Justizopfer fordert Schmerzensgeld von Gutachterin

Saarbrücken/Marpingen · Musste das Justizopfer Norbert Kuß ins Gefängnis, weil eine Gerichtspsychiaterin grob fahrlässig ihr Gutachten erstellte? Diese Frage beschäftigt ab morgen das Landgericht. Kuß fordert Schmerzensgeld und Schadenersatz.

. Genau 683 Tage saß der frühere Bundeswehrbeamte Norbert Kuß (71) unschuldig im Gefängnis. Seine Unschuld hatte er immer wieder beteuert, lehnte eine geringere Strafe oder später Hafterleichterungen im Gegenzug für ein Geständnis stets ab. Im Mai 2004 hatte eine Strafkammer des Landgerichts Saarbrücken den Familienvater aus dem Marpinger Ortsteil Alsweiler zu einer Haftstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Richter glaubten damals Vorwürfen seiner früheren Pflegetochter Susi (Name geändert), die behauptete, Kuß habe sie mehrfach sexuell missbraucht. Grundlage für das folgenschwere Urteil war das Gutachten einer Sachverständigen des Homburger Instituts für gerichtliche Psychologie und Psychiatrie. Sie hatte die Angaben der damals 13-Jährigen als erlebnisorientiert und mit "hoher Wahrscheinlichkeit" glaubhaft eingestuft. Kuß und seine Anwälte gehen davon aus, dass dieses falsche Gutachten ihn letztlich hinter Gitter brachte und deshalb die Existenz seiner Familie wiederholt auf der Kippe stand. Das Urteil wurde rechtskräftig. Er verlor seinen Beamtenstatus und seine Pensionsansprüche.

Unsere Zeitung hat in den letzten Monaten wiederholt über den Kampf der Familie Kuß gegen die lahmen Mühlen der Saar-Justiz berichtet. Zehn Jahre nach Beginn der Ermittlungen gelang erst in einem dritten Wiederaufnahmeverfahren der Durchbruch. Im November 2013 hob das Amtsgericht Neunkirchen schließlich das Urteil aus dem Jahr 2004 "aus tatsächlichen Gründen" auf. Ein Freispruch erster Klasse. Zwischenzeitlich wurde er für die erlittene Haft mit 17 075 Euro (25 Euro pro Tag) entschädigt und schließlich auch rückwirkend wieder in den Beamtenstatus eingesetzt.

Das dritte Wiederaufnahmeverfahren war deshalb erfolgreich, weil ein in einem Zivilprozess (Klage der Pflegetochter auf Schmerzensgeld ) bestellter Sachverständiger "gravierende methodische Mängel" und daraus "abgeleitete Fehleinschätzungen" im Gutachten seiner Homburger Kollegin anprangerte.

Anlass für Justizopfer Kuß, mit seiner Anwältin Daniela Lordt die Gutachterin auf Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 80 000 Euro und Schadenersatz in der Größenordnung von etwa 38 000 Euro zu verklagen. Das Landgericht gab seinem Antrag auf Prozesskostenhilfe in diesem Fall, nicht aber gegen weitere Gerichtspsychiater, statt. Die erforderliche "hinreichende Erfolgsaussicht" liege vor.

Nach mehreren Terminverschiebungen ist für Donnerstag die mündliche Verhandlung der dritten Zivilkammer unter Vorsitz von Richter Ulrich Hoschke angesetzt. Eine Beweisaufnahme ist noch nicht vorgesehen. Anwältin Lordt argumentiert, die Sachverständige habe das Gutachten grob fahrlässig erstellt. Deren Anwalt Stephan Krempel glaubt, mögliche Ansprüche des Klägers Kuß seien längst verjährt.

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