„Geh schon mal vor“

Marpingen · J edes Jahr aufs Neue – Rathaussturm der Fastnachter: Das gehört am Fetten Donnerstag in Marpingen dazu. Dabei zeigte sich Werner Laub verwandlungsfähig, kurz bevor er von den Narren überrumpelt wurde und die Macht abgeben musste: von Gardemädchen abgeführt 2015 (1), noch mit Schlüsselgewalt 2008 (2), weiblich umzingelt 2002 (3), 2004 vom Western-Flair angehaucht (4) und 2013 als König im Konfettiregen abgesetzt (5). hgn

 Lässig zurückgelehnt – bereits im neuen, modernen Bürostuhl, den sich sein Nachfolger Volker Weber bereitgestellt hat. An seinem rustikalen Schreibtisch räumte der scheidende Bürgermeister Werner Laub die vergangenen Tage seine Utensilien zusammen und ordnete Unterlagen für den kommenden Rathauschef. „Den Stapel dahinten, den kannste schon mal behalten“, sagte Laub zu Weber, der seinem politischen Ziehvater kurz bei der Inventur über die Schulter schaute. Dabei zeigte der Noch-Verwaltungschef auf einen beachtlichen Berg an Akten, Papieren und Mappen auf einer der diversen Ablagen. Foto: Matthias Zimmermann

Lässig zurückgelehnt – bereits im neuen, modernen Bürostuhl, den sich sein Nachfolger Volker Weber bereitgestellt hat. An seinem rustikalen Schreibtisch räumte der scheidende Bürgermeister Werner Laub die vergangenen Tage seine Utensilien zusammen und ordnete Unterlagen für den kommenden Rathauschef. „Den Stapel dahinten, den kannste schon mal behalten“, sagte Laub zu Weber, der seinem politischen Ziehvater kurz bei der Inventur über die Schulter schaute. Dabei zeigte der Noch-Verwaltungschef auf einen beachtlichen Berg an Akten, Papieren und Mappen auf einer der diversen Ablagen. Foto: Matthias Zimmermann

Foto: Matthias Zimmermann

Zwei Bürostühle am, zwei Bildschirme auf dem Schreibtisch, mehrere grob bepackte Kisten in einer Ecke, als seien Akten im Vorbeigehen hineingeplumpst. Aufbruchstimmung in der Chefetage des Marpinger Rathauses. Obwohl er Urlaub hat, läuft Werner Laub durch Flure. Nicht, um sich nach und nach von Kollegen in der Verwaltung als scheidender Bürgermeister zu verabschieden. Er hat zu tun. Nimmt an Besprechungen teil, Telefonate entgegen. Trotzdem wirkt er einige Tage vorm Abschied entspannt. Alles geht gemächlich zu. Nicht von Terminen getrieben, wie es in den vergangenen 26 Jahren oft den Eindruck hatte.

Laub räkelt sich auf dem ergodynamischen Sitz mit Kopfstütze, wippt in dem bequemen neuen Möbelstück, das sein Nachfolger Volker Weber schon mal in Position geschoben hat, damit er am 1. August pünktlich die Amtsgeschäfte übernehmen kann. Laub schaut auf seine ausgediente Sitzhilfe, lieblos in die Ecke verbannt, lehnt sich genüsslich zurück: "Ach, hier sitzt man aber wirklich bequem" - so, als habe er sich in jenem Moment dazu entschlossen, doch noch eine Amtszeit dranzuhängen.

"Nein, nein", dementiert er augenblicklich. Doch langweilen werde er sich nach der Zeit als Verwaltungschef gewiss nicht. "Ich werde in kein Loch fallen." Weit oben auf der Freizeit-Agenda: "Sport. Den habe ich mir nie nehmen lassen." Tischtennis bleibe seine Passion . Seit etwas über einem Jahr ist er Präsident des saarländischen Tischtennisbunds. Auf dem Fahrrad wurde er ebenso gesichtet, als Jogger auch.

In just jenem Punkt unterscheidet sich Alt-Bürgermeister von Weber gravierend. "Wir arbeiten seit über zehn Jahren zusammen", berichtet der 67-Jährige ernsthaft. Dabei habe er vieles vermitteln können. Sein Blick wird schelmisch. "Aber das Sportliche hat nicht so geklappt."

Politisch sind sie auf einer Wellenlänge. Laub habe sich rechtzeitig darum bemüht, einen Nachfolger nach seinem Geschmack zu positionieren. Nun sei Weber am Zug. Ihm vertraue Laub. So sei es für den Mann, der an diesem Freitag verabschiedet wird, selbstverständlich, künftig nicht als graue Eminenz durchs Rathaus zu geistern. Aber: "Wenn Volker mich braucht, weiß er, wo er mich findet."

Gewiss kann Laub aus einem großen Erfahrungsschatz schöpfen, seit er am 17. April 1990 noch vom Gemeinderat zum Bürgermeister gewählt wurde. Damals war im Saarland von einer Urwahl noch keine Rede. Dabei sei das Amt überhaupt nicht sein Ziel gewesen. "Ich bin damals ein paar Mal durch den Wald gelaufen", schildert er heute seine Entscheidungsfindung. Dann stellte er sich dem Votum, gab der Diplom-Kaufmann seinen Job bei Saarberg auf, mit Option auf Rückkehr in seinen angestammten Beruf. Bekanntermaßen wurde nichts daraus. Obwohl er die Arbeit in der EDV sehr gemocht habe und trotz der damaligen Einstellung, über die sich Laub jetzt köstlich amüsiert: "Der ganze Betrieb bricht zusammen, wenn du nicht mehr da bist." An seinem Weggang sei das Unternehmen nicht zugrundegegangen.

Zeit, sich über den vorherigen Arbeitgeber Gedanken zu machen, blieb ohnehin nicht. "Ich wollte die Gemeinde nach vorne bringen." Er zapfte Städtebaufördertöpfe an. "Wir mussten Gas geben, denn irgendwann war Schluss." So habe Marpingens Ortskern Anfang der 90er einer "reinen Baustelle" geglichen. "Wir haben den Ort auf den Kopf gestellt, alle Straßen waren aufgerissen." Anrainern viel abverlangt worden.

Ein weiteres Projekt habe ihn angetrieben: die Schulentwicklung. Die damalige Haupt- und Realschule stand vor dem Aus. "1989 musste was passieren." Laub nennt dies seine "erste große Aufgabe". Eine Gesamtschule entstand trotz politischen Gegenwinds. Den Erfolg verbucht er für sich. So habe sich das Auslaufmodell mit 30 zu einer der größten Schulen im Landkreis St. Wendel mit 1100 Schülern entwickelt. Eine gewisse Genugtuung kann der Sozialdemokrat nicht verhehlen: "Später waren Frauen politischer Gegner dort Lehrer."

Eine "rasante Zeit" nennt Laub die ersten Jahre als Bürgermeister. Dessen erste Amtsperiode von einem Ereignis gekrönt wurde, das bundesweit für Furore sorgte: "1999 gab's keinen Wahlkampf. Da ist mir die Marienerscheinung dazwischengekommen." Damals pilgerten täglich Tausende Menschen zur Marienverehrungsstätte im Härtelwald. "Während eines Radiointerviews für den Sender Freies Berlin wunderte sich der Moderator, warum wir mit 18 000 Besuchern solch ein Problem haben", erinnert sich Laub. Darauf habe er dem Reporter geantwortet: "Wir haben 5000 Einwohner. Stellen Sie sich mal vor, Berlin bekomme bei drei Millionen Einwohnern neun Millionen Besucher. Sie haben ja schon genug Huddel bei der Loverparade mit einer Million Technofans."

Doch nicht nur solche Anekdoten fallen ihm ein. Zehn Tage nach Amtsantritt sei er von der Feuerwehr zum Einsatz mit verbrannten Leichen gerufen worden. Suizid. Dieses Erlebnis hat ihn lange beschäftigt. Wie zuletzt 2015 die Ermittlungen gegen ihn wegen Untreueverdachts. "Das hat mich von den Beinen geholt. So hat man mich noch nicht erlebt. " Gefühle wie "Panik, Angst, Unsicherheit" hätten ihn übermannt. Seine Frau Gertrud habe sehr darunter gelitten, "als plötzlich fünf Kripobeamte vor der Tür" standen. Gleichwohl habe ihm und seiner Familie die Unterstützung aus der Bevölkerung "sehr geholfen". Das Verfahren wurde im März dieses Jahres gegen Geldauflage eingestellt.

Laub blickt gelöst um sich. Seine Augen erfassen den neuen Computerbildschirm auf dem rustikalen Schreibtisch, der den kleinen nebenan zu erdrücken scheint. "Der ist auch schon von Volker." Generationswechsel bei Personal und Technik. Nach dem dienstältesten Bürgermeister, der zum Amtsantritt mit 41 Jahren der jüngste im Saarland war, folgt nun wieder der jüngste: Weber ist allerdings erst 32.

 Die drei Tenöre vom Härtelwald? Mitnichten. Vielmehr so fotogen prestigeträchtig ging's beim Wahlkampf der örtlichen SPD-Spitzenkandidaten 1996 für den Gemeinderat zu (von links): Werner Laub, Bernd Burg und Thomas Gantner. Foto: Bonenberger

Die drei Tenöre vom Härtelwald? Mitnichten. Vielmehr so fotogen prestigeträchtig ging's beim Wahlkampf der örtlichen SPD-Spitzenkandidaten 1996 für den Gemeinderat zu (von links): Werner Laub, Bernd Burg und Thomas Gantner. Foto: Bonenberger

Foto: Bonenberger
 ´Wiederwahl 1999: herzlicher Glückwunsch seiner Frau Gertrud.

´Wiederwahl 1999: herzlicher Glückwunsch seiner Frau Gertrud.

 Wiederwahl 2007: Erneut feiern beide den Erfolg. Fotos (2): ATB

Wiederwahl 2007: Erneut feiern beide den Erfolg. Fotos (2): ATB

 Tischtennis-Ass Werner Laub 1975: Meister mit neuem Team aus Marpingen und Alsweiler, . . .

Tischtennis-Ass Werner Laub 1975: Meister mit neuem Team aus Marpingen und Alsweiler, . . .

 . . . und 2015: Seitdem ist er Präsident des Saarländischen Tischtennis-Bundes. Fotos: pr/Dietze

. . . und 2015: Seitdem ist er Präsident des Saarländischen Tischtennis-Bundes. Fotos: pr/Dietze

Für Laub beginnt ebenfalls eine neue Ära, von einer klaren Ansage seiner Frau geprägt. Der Noch-Rathauschef zitiert: "Einen Satz möchte ich nie wieder von Dir hören: ‚Geh schon mal vor.'"

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