Von Stadt aufs Land Jetzt ist plötzlich ein kaputter Rasenmäher wichtig

Saarlouis · Ein Besuch bei einem zugezogenen Paar in Saarlouis offenbart die Unterschiede zum Leben in einer Mietwohnung.

 Frank Bier und Alexandra Jost im Garten in Schaffhausen.

Frank Bier und Alexandra Jost im Garten in Schaffhausen.

Foto: Antonia Weber

Blaue Wasserspiegelungen tanzen auf der dunklen Holzwand. Die Sonne glitzert in ihnen, der Teich plätschert leise vor sich hin. Auf dem gedeckten Massivholztisch stehen Croissants und Kaffee. Schon fast kitschig, wie man im Nachbargarten Kinder spielen und Vögel zwitschern hört. Idyll und Kitsch vereinen sich zu einem seltsamen Gefühl der Geborgenheit, als ob man schon mal hier gewesen wäre. Alexandra Jost und Frank Bier sind hergezogen. Aus Saarlouis nach Schaffhausen. Von ein bisschen mehr Stadt zu ein bisschen mehr Land.

Als ich in die Straße einbiege, kann man es schon fast riechen. Eine Jeder-kennt-jeden-Atmosphäre. Das Haus ist noch im Umbau. „Es war einfach unkompliziert in einer Wohnung“, erinnert sich Alexandra. „Mit Haus und Garten ist das eine ganz andere Sache. Es fallen jetzt andere Aufgaben an.“ „Wie zum Beispiel ein kaputter Rasenmäher“, ergänzt Frank zerknirscht. Denn das Gummi des Antriebsrades ist, fünf Minuten bevor ich gekommen bin, gerissen. Das Äquivalent für Wohnung aufräumen und staubsaugen, bedeutet auf dem Land den Rasen zu mähen. Frank und Alexandra sind nach zehn Jahren aus ihrer 90 Quadratmeter Wohnung in Saarlouis vor vier Monaten in ein Einfamilienhaus nach Schaffhausen gezogen. „Früher konnten wir zu Fuß einkaufen gehen. Und wenn ich zu meinem Friseur gegangen bin, waren auf dem Weg dorthin mindestens drei weitere“, erinnert Frank sich. Sie tauschten laute Musik vor der Tür und schlafende Betrunkene im Hauseingang gegen einen eigenen Garten, Ruhe und aufmerksame Nachbarn ein. „In der Stadt kannten wir gerade mal die Leute, die im selben Mietshaus wohnten. Aber die von nebenan? Keine Chance“, schildert Alexandra. Frank schüttelt den Kopf: „Nicht mal die kannte ich alle.“

An ihrem ersten Tag im neuen Haus kam ein Nachbar auf sie zu. Stellte sich vor. Sagte ‚Hier passt man aufeinander auf‘ und wünschte eine gute Nachbarschaft.

Sie lernten die Straße kennen. „In der Stadt war alles anonymer“, erinnert sich Alexandra, während sie an ihrem Kaffee nippt, „Es hatte Vor- aber auch Nachteile.“ Denn wenn früher ein Paket beim Nachbarn abgegeben wurde – ja wer ist das denn nun? Fehlende Namen an den Klingelschildern erschwerten die Suche zudem. „Mittags einfach mal raus auf einen Kaffee, das vermisse ich. Abends um die Ecke auf ein Bier mit Freunden. Man war direkt unter Menschen“, erzählt sie. „Das haben wir hier zwar auch. Nur eben etwas anders.“ Alles ruhiger.

Das halb gemähte Gras im Garten ist mit Obstbäumen durchzogen. Die Gartenlaube ist geöffnet und der defekte Rasenmäher steht lautlos darin. „Man muss sich jetzt mit anderen Themen auseinandersetzen“, erklärt Frank, während er ein paar Äpfel vom Baum pflückt. „Vor allem wie man einen Rasenmäher reparieren kann.“

Es ist ein neuer Lebensabschnitt, den sie beide gegangen sind. „Ich will keine Spießerin werden“, räumt Alexandra ein. „Ich hab‘ dieses Jahr zum ersten Mal einen Pflaumenkuchen mit Früchten aus dem Garten gebacken. Schon ziemlich spießig, ´ne?“ Hinter einer Hecke ist ein kleines Gemüsebeet angelegt. Stolz reckt sie ein paar Gurken und eine Zucchini nach oben.

Ihnen fallen jetzt selbst kleine Veränderungen in der Straße auf, wie mein Auto vor ihrem Haus. Das Kennzeichen ist fremd, ihres ist innerhalb des Landkreises gleich geblieben. Sie mussten beide lachen, als sie realisieren, dass sie selbst zu wachsamen Nachbarn geworden sind.

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