Dialogtag der HTW „Für Mathe braucht man Frustrationstoleranz“

Welche mathematischen Voraussetzungen müssen Schüler an die Uni mitbringen? Bildungsexperte Henning Körner gibt Antworten.

 Mathelehrer in Oldenburg: Henning Körner.

Mathelehrer in Oldenburg: Henning Körner.

Foto: Henning Körner

Die Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (HTW) veranstaltet am Mittwoch, 28. Februar, zum sechsten Mal einen Dialogtag zum Thema „Mathematik an der Schnittstelle zwischen Schule und Hochschule“ an. Henning Körner, Fachleiter für Mathematik am Studienseminar Oldenburg und Gymnasiallehrer, wird als Hauptreferent Impulse geben und seine Erfahrungen und Eindrücke teilen.

Herr Körner, welche Unterschiede gibt es zwischen Mathematikunterricht an Schulen und Mathematikvorlesungen an Hochschulen?

KÖRNER Die Unterschiede zwischen Hochschule und Schule sind sehr groß. Eine Vorlesung an der Uni vermittelt viel Stoff in kurzer Zeit und steht unter einem bestimmten Zwang der Arbeitsökonomie, was bedeutet, dass man in kurzer Zeit viel schaffen muss. In diesen Vorlesungen ist es entscheidend, dass der Stoff vorgetragen wird. Ganz anders wird Mathematik an den Schulen unterrichtet. Dort muss man im Einklang mit der geistigen und kognitiven Entwicklung der Schüler Mathematisierungsprozesse einleiten und erzeugen. Das muss natürlich auf eine ganz andere Art und Weise passieren. Es entstehen unterschiedliche Lehr-Lernformen, die immer zu einem Bruch zwischen diesen beiden Institutionen führen. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass Schulmathematik mathematische Allgemeinbildung und Studierfähigkeit erzeugen muss, Hochschulen aber häufig beim Blick auf Schule nur Letzteres im Blick haben.

Mit welchen mathematischen Voraussetzungen kommen Schüler an die Hochschule? Reichen diese aus?

KÖRNER Das lässt sich nicht kategorisch beantworten. Es kommt immer darauf an, welchen Stellenwert Mathematik für den Schüler an der Schule hatte, was er machen möchte und mit welcher Einstellung er an das Studium herangeht. Es muss dabei auch unterschieden werden, ob man tatsächlich Mathematik studiert oder ein Fach mit hohem Mathematik-Anteil.

Wie können die Hochschulen auf die verschiedenen mathematischen Bildungsstände der Studenten eingehen?

KÖRNER Diese Problematik kann ich nur aus der Außenperspektive beschreiben, da ich an der Hochschule nicht direkt in diesen Prozessen involviert bin. Das Problem der Heterogenität, also der Uneinheitlichkeit, welches wir im Gymnasialunterricht seit Jahren vorfinden und diskutieren, ist an der Uni genau das gleiche. Die Universitäten müssen sich sicherlich noch mehr damit auseinandersetzen. Brücken- oder Vorkurse sind eine Antwort der Universitäten auf diese Problematik.

Welche mathematischen Voraussetzungen sollten Schüler idealerweise mit an die Hochschule bringen?

KÖRNER Ich bin der festen Überzeugung, dass da viele Qualifikationen eine Rolle spielen, die gar nicht alleine nur an stofflich-inhaltlichen Komponenten festzumachen sind, sondern die zum Beispiel auch mit Frustrationstoleranz und Motivation zusammenhängen. Das hört sich altmodisch an, aber die braucht man in mathematikhaltigen Studiengängen sicherlich vermutlich mehr als in anderen.

Warum?

KÖRNER Mathematik ist schwer. Es gibt schwierige Abstraktions- und Formalisierungsaspekte, welche es Schülern und Studenten nicht leicht machen. Die Aufgabe von Schulen und Hochschulen ist es, Schüler und Studierende da heranzuführen, was sehr anspruchsvoll ist.

Muss sich an der Art der Lehre an den Hochschulen etwas ändern?

KÖRNER Ich würde vorsichtig sagen, ja. Ich glaube allerdings, dass das faktisch und ressourcenmäßig sehr schwer ist. In einer Vorlesung mit 450 Studenten, die alle die gleichen Klausuren schreiben und die gleichen Abschlüsse machen, kann nicht auf jeden einzelnen Rücksicht genommen werden. Das geht aber auf der anderen Seite in Veranstaltungen für nur 30 Teilnehmer. Dazu braucht man entsprechendes Lehrpersonal. Ich kann die Hochschulen da völlig verstehen, dass sie, solange sie nicht die nötigen Ressourcen haben, nicht auf die unterschiedlichen Bildungsstände eingehen können. Deswegen werden Vorkurse angeboten. Damit versucht man dann irgendwie durchzukommen. Was man machen kann, und das macht die HTW auch, ist die Einführung von Stützungkursen, Mathe-Cafés oder Ähnlichem, in denen zusätzliche Hilfe angeboten wird und die Attraktivität von Mathematik für Schüler und Studierende erhöht wird. Viel wichtiger ist der Austausch zwischen Schule und Hochschule, wie er beim Dialogtag ermöglicht wird.

 Die Mathematik-Lehre an den Hochschulen müsste sich aus Sicht des Experten ändern. Doch Körner weiß selbst, dass das schwierig ist.

Die Mathematik-Lehre an den Hochschulen müsste sich aus Sicht des Experten ändern. Doch Körner weiß selbst, dass das schwierig ist.

Foto: dpa/Oliver Berg

An den Universitäten wird darüber geklagt, dass das Niveau an den Schulen sinke, der Stoff werde nur noch lückenhaft vermittelt. Was fehlt den Studienanfängern?

KÖRNER Wenn man von Niveausenkung spricht, sollte man immer zuerst berücksichtigen, dass mittlerweile circa 40 bis 50 Prozent eines Jahrgangs Abitur machen. Man kann darüber klagen, aber die Fähigkeiten der Menschen sind einfach sehr unterschiedlich. Was den Studienanfängern manchmal fehlt, ist eine Mischung aus Grundkompetenzen und fachlichen Kompetenzen. Das kann man aber alles lernen und nacharbeiten. Wenn man etwas machen will, dann setzt man sich dafür ein und dann kann man es auch lernen. Das gelingt besser, wenn Schule und Hochschule so lehren, dass junge Menschen zur Mathematik motiviert werden.

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