Eugen Roth wird bei DGB-Kongress in Ruhestand verabschiedet Einer, der gerne mit dem besten Argument überzeugt

Saarbrücken · Eugen Roth (64), wird an diesem Wochenende auf dem Landesbezirkstag des DGB Rheinland-Pfalz/Saarland in den Ruhestand verabschiedet. Eine steile Karriere als Gewerkschafter und SPD-Politiker von einem Mann, der trotz seines Aufstiegs bodenständig geblieben ist und das Saarland liebt.

 Roth fühlt sich wohl unter Menschen. Und marschiert auch vorne mit, wenn die Interessen von Arbeitnehmern in Gefahr sind, wie hier bei einer Demonstration von Busfahrern. Auch auf Maikundgebungen an der Saar gab er sich jahrzehntelang kämpferisch.

Roth fühlt sich wohl unter Menschen. Und marschiert auch vorne mit, wenn die Interessen von Arbeitnehmern in Gefahr sind, wie hier bei einer Demonstration von Busfahrern. Auch auf Maikundgebungen an der Saar gab er sich jahrzehntelang kämpferisch.

Foto: BeckerBredel

Der DGB macht wahr, wovon andere nur reden. So bekommt der Bezirk Rheinland-Pfalz Saarland künftig eine weibliche Doppelspitze. Susanne Wingertszahn, 1975 in St. Wendel geboren, seit 2014 Bezirksgeschäftsführerin des DGB in Rheinland-Pfalz, soll auf dem fünften Bezirkskongress des DGB Rheinland-Pfalz-Saarland am Wochenende in Frankenthal von den Delegierten zur neuen Bezirksvorsitzenden gekürt werden. Stellvertreterin wird die erfahrene Gewerkschafterin und gebürtige Saarbrückerin Bettina Altesleben, derzeit Geschäftsführerin des DGB-Region Saar.

Der Kongress läutet zugleich einen Generationswechsel ein. Der bisherige Bezirksvorsitzende Dietmar Muscheid und sein Stellvertreter  Eugen Roth treten ab. Beide standen seit 2002 an der Spitze der damals fusionierten Landesbezirke, Eugen Roth blickt sogar auf eine seit 1998 erfolgreiche Zeit als Chef des DGB-Saar zurück. Roth sieht in der neuen Doppelspitze eine glückliche Wahl, die zugleich auch mehr junge Menschen in schwierigen Zeiten, etwa bei der Bewahrung der Industriestandorte, für Gewerkschaftsarbeit begeistern soll.

Auch Eugen Roth selbst hat eine ungewöhliche, gleichzeitig steile Karriere an die Spitze der Gewerkschaftsorganisation gemacht. „Ein Gendarm an die DGB-Spitze" titelt die SZ am 21. Juli 1997. Denn Roth kommt direkt aus der Polizeigewerkschaft GdP an die Spitze des Saar-DGB. Das sorgte damals für eine faustdicke Überraschung. Denn viele hatten ihn gar nicht auf dem Schirm. Alleine schon die Nominierung war ein Krimi, denn die oberste Chefposition wurde  an der Saar über Jahrzehnte hinweg von der mächtigen IG Metall beansprucht mit Manfred Wagner als Vorgänger von Eugen Roth an der Spitze. Wagner war ein Stahlmann, zeichnete sich durch sein besonderes Verhandlungsgeschick aus und zahlreiche Ideen, die saarländische Stahlindustrie wetterfest zu machen für die Zukunft.

Der Coup gelingt schließlich, 15 Einzelgewerkschaften stimmen geschlossen für Roth als DGB-Chef. Maßgeblichen Anteil daran hatten Kurt Hartz von der IG Metall und Rolf Linsler von der ÖTV, später Verdi. „Kurt Hartz hat mich fünf Stunden in die Mangel genommen", erinnert sich Eugen Roth. Und Rolf Linsler zog hinter den Kulissen die Fäden eifrig mit. Linsler wird zu einem langjährigen Kampfgefährten und Freund. „Hauptamtlicher Gewerkschafter war nie mein Plan. Das kam erst so richtig durch den Rolf", erinnert sich Roth, der seinen vor acht Jahren verstorbenen Freund auch heute noch vermisst.  „Rolf Linsler war in meinen Augen überdurchschnittlich lebensklug. Ich habe von ihm gelernt, unvoreingenommen mit anderen umzugehen. Der Rolf war immer bestens vorbereitet, konnte in der Sache klar auftreten, hat aber nie das Tischtuch zu seinem Gesprächspartner zerschnitten."

Eine Gabe, die Eugen Roth selbst bis heute zu beherzigen versucht. Arroganz verabscheut er, in Diskussionen sucht er nach eigenen Worten lieber ausgleichend das beste Argument, den Weg, der am Ende für alle Beteiligten gangbar ist. Diese Art der Gesprächsführung hat er sich schon von seinem verstorbenen Vater abgeschaut, auf den Eugen Roth bis heute stolz ist. „Der war in meinem Heimatort Merchweiler bekannt wie ein bunter Hund und konnte unheimlich gut mit den Leuten." Ein angesehener Dorfpolizist aus der „guten alten Zeit", in der es noch üblich war, dass Pfarrer, Pastor, Bürgermeister, Apotheker und Dorfpolizist gemeinsam Politik beim Bier am Stammtisch machten.

Womöglich wäre sein Leben ganz anders verlaufen, hätte Eugen Roth wahrgemacht, was er eigentlich wollte, als die Gewerkschaftskarriere noch weit in der Ferne lag. „Eigentlich wollte ich immer raus in die Welt. Doch ich kam dann nur bis ins Merchweiler Unterdorf. Dort habe ich mein Glück gefunden. Das war meine Frau. Und siehe da: Es hat gehalten bis heute", sagt Roth (65) mit Stolz. Für ihn ist sein Heimatort bis heute Dreh- und Angelpunkt seines Lebens. Hier schöpft er Kraft, hier wird er geschätzt. Fest verankert in das Vereinsleben, auch als langjähriger Handballer, pflegt er Freundschaften und ist trotz aller Versuchungen einer erfolgreichen Karriere stets bodenständig und heimatverbunden geblieben. Das ist auch das eigentliche Markenzeichen seines Erfolges. Eugen Roth kann nicht nur mit vielen, er kann auch zuhören und überzeugen.

Überzeugen möchte er heute vor allem die junge Generation. Aktiv mitgestalten solle sie, was um sie herum passiert. Deshalb ruft er jungen Saarländerinnen und Saarländern zu: „Engagiert euch, auch politisch, gestaltet mit, egal, in welcher demokratischen Partei." Die Verteidigung der Demokratie und Abwehr extremer Ansichten könne man nur mit mehr gelebter Solidarität und Zusammenhalt weiter gewährleisten.

Für solche Prinzipien setzt sich Eugen Roth auch an selbst für ihn äußerst ungewohnten Orten ein: zum Beispiel auf der Kanzel in der katholischen Kirche seiner Heimatgemeinde. „Da war ich nochmal so richtig nervös", gesteht er. Pfarrer Patrick Krutten hatte ihn eingeladen, im Rahmen der Themenwoche Arbeit einige Gedanken über Herausforderungen unserer Gesellschaft und die Arbeit der Zukunft zu äußern. „Für mich war das ein Höhepunkt in meinem Leben und auch eine Ehre, in meiner Kirche sprechen zu dürfen," sagt Eugen Roth im Rückblick. Und schmunzelt zugleich: „Der Roth: dem alten Gendarm sein Sohn, das hat wohl gezogen." Die Kirche war voll.  

Roth sieht in solchen Anlässen auch eine Chance für die Kirche selbst, sich zu modernisieren und wieder mehr als Ort der Begegnung ins Gespräch zu bringen, auch für junge Menschen, die sich einbringen, die diskutieren wollen. Der überzeugte Katholik Roth wünscht sich von der Kirche wieder eine größere Rolle innerhalb der Gesellschaft. Wer solle sich denn sonst um die Seelsorge und Begleitung von kranken Menschen kümmern, insbesondere um die Sterbebegleitung auf dem letzten Weg auf Erden. Zugleich fordert Roth auch das Ende eines Tabus. „Es gibt überhaupt keinen nachvollziehbaren Grund mehr, warum Frauen nicht Priester werden dürfen."

An der Spitze des DGB tritt Eugen Roth nun ab. Er wird dennoch weitermachen als Präsident des Interregionalen Gewerkschaftsrates, den Vorgänger Manfred Wagner ins Leben gerufen hat. Das im Saarland etablierte Modell der Montanmitbestimmung, was unter anderem die Mehrheitsbeteiligung Außenstehender an den Saar-Hütten oder gar deren Ausverkauf verhindert, soll auch in Europa stärker verankert werden. Gewerkschaftsvertreter aus Frankreich, Luxemburg  und Belgien zeigten bereits Interesse an solchen Lösungen. Eugen Roth hat viele Stürme erfolgreich durchgestanden in seiner aktiven Zeit: den Umbau des öffentlichen Dienstes, die Polizeireform, Stahlkrisen und auch die heftigen Turbulenzen im Bergbau. Doch jetzt drohen auch große Verluste in der Industrie im Saarland, die bis heute das stärkste Standbein der Saarwirtschaft ist. Gerade auch deshalb ist Roth davon überzeugt, dass Gewerkschaften heute dringender gebraucht werden als je zuvor. Die Menschen hätten gerade jetzt Angst vor Veränderungen. „Was passiert mit ihnen? Nicht jeder ist für alles geeignet. Wer heute in der Stahlindustrie arbeitet, kann nicht morgen Pfleger sein. An der Umgestaltung, am gesellschaftlichen Zusammenhalt und an der Solidarität müssen die Gewerkschaften mitarbeiten." Auch im heftigen Kampf um Fachkräfte sitze man in einem Boot. „Wir brauchen Fachkräfte. Wir müssen gemeinsam den Leuten sagen:  Nicht nur der mit weißem Kragen, nicht nur der an der Uni ist wichtig, sondern auch der Handwerker, sonst läuft kein Rad mehr rund." Man kann darauf wettetn: Eugen Roth wird sich weiter einbringen. Auch aus Verbundenheit zur Region. Denn wie sagt er doch über sich selbst: „Ich bin stolz darauf, ein Saarländer zu sein.“

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