Beeindruckende Installation Martin Steinert lässt Holz in den Wassergärten in Reden schweben

Landsweiler-Reden · Der Bildhauer Martin Steinert arbeitet mit Holzleisten und schafft aufregende Objekte zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit.

 Das neueste Werk des Bildhauers Martin Steinert können Besucher der Wassergärten in Reden bewundern. Eine Groß-Installation mit dem Titel „Mobile – in Bewegung“.

Das neueste Werk des Bildhauers Martin Steinert können Besucher der Wassergärten in Reden bewundern. Eine Groß-Installation mit dem Titel „Mobile – in Bewegung“.

Foto: Iris Maria Maurer

Kennen Sie den größten Exportschlager des Saarlandes? In den vergangenen Jahren waren dies Holzlatten. Richtig gelesen, auch wenn man einschränken muss, dass sie nur der bedeutendste Kulturexport sind. Seit einigen Jahren schon reist der Bildhauer Martin Steinert durch Europa und schafft vor allem in Innenstädten plastische Gebilde aus schnödem Kantholz.

Gerade hat Steinert in den Wassergärten in Reden eine beeindruckende Installation geschaffen. Sie hängt an einem Seil, das zwischen Kohlenwäsche und Fördergebäude gespannt ist. Betritt man die Wassergärten, sieht man dort erst einmal nur ein Objekt, das eine nahezu runde Form hat. Bewegt man sich daran entlang, faltet sich diese auf, und man entdeckt, dass es sich um mehrere Einzelplastiken handelt. Trotz des hohen Abstrahierungsgrades erkennt man sofort, dass hier ein großer Vogel mit kräftigem Flügelschlag über das Bassin gleitet. Es ist nicht nur eine ästhetisch ansprechende Arbeit, sondern auch eine, die mit der Form konsequent spielt und prüft, wie weit das Spiel mit Abstrahierung gehen kann, ohne dass das Gebilde visuell nicht mehr zu einem Vogel verschwimmt, sondern nur noch ein Dachlattenetwas ist. Steinert treibt das Spiel sehr weit, teilweise bleibt von der Gestalt des Vogels nicht viel mehr als ein tellerförmiges Objekt, und doch bliebt die Form so weit erkennbar, dass der Flügelschlag eindeutig ist.

Es ist nicht Steinerts erstes Projekt in den Wassergärten. Im Jahr 2018 zeigte er dort „Kumpel“, das sich mit dem Ende des Bergbaus in Deutschland beschäftigte. Damals hingen an gleicher Stelle 400 Waschkauen-Kleiderkörbe aus seinem Lieblingswerkstoff. Im folgenden Jahr recycelte er die Objekte, indem er die Holzkörbe zu einer Mauer stapelte, die scheinbar auf der Wasseroberfläche schwebte. Vier Jahre zuvor war er dort mit einem zweiteiligen Raumobjekt erstmals vertreten.

Doch längst ist das Saarland nicht mehr Hauptwirkungsort des Künstlers, der inzwischen europaweit angefragt wird. 2015 errichtete er die Holzinstallation „Esquisse en bois sur fond noir“ im Museum Grand Curtius im belgischen Lüttich. Es entstand eine 50 Quadratmeter Meter große Fläche aus Holzstäben, sie sich wellenförmig über die schwarze Fassade eines modernen Anbaus zog. In den folgenden Jahren ersann er die Serie „Wooden Clouds“. Die „hölzernen Wolken“ darf man allerdings nicht zu wörtlich nehmen. In der Saarbrücker Johanneskirche noch als stark architektonisches Gebilde, errichtete Steinert 2016 im Park der Russischen Akademie der Künste in St. Petersburg eine Wand, die sich fließend durch den Park zu bewegen schien. Wie ein goldener Vorhang schimmerte das Holz in den ersten Wochen in der Sonne, bis die Witterung die Latten ergrauen ließ. 2017 entstand in Berlin eine „Wooden Cloud“ und dieses Mal im wahrsten Sinne. Steinert spannte eine Wolke aus Dachlatten über den Richardplatz im Zentrum von Neukölln. Zwei Jahre später arrangierte er ein ähnliches Objekt in einem kleinen Park in St. Arnual. Überraschend ist, wie anders dieses Objekt wirkte. War die Arbeit in Berlin noch schwebend zwischen Bäume gespannt, nahm sie die Stämme der Parkbäume in Saarbrücken ein und wurde so zu etwas Organischem wie einem Spinnennetz oder Raupengespinst. In den folgenden Jahren war er in Ramallah, Tirana und Dakar zu Gast, errichtet seine Objekte in Prag und Paris, aber auch in Essen, Bochum und Augsburg. Mal erinnerten die Werke an Muscheln oder Schiffe, dann an Blüten oder wolkige Gebilde.

Und immer wieder stellte er auch im Saarland aus, etwa als er „Das Boot“ in eine Uferlandschaft am Bostalsee baute. Wie ein gestrandeter Wal, liegt der Schiffskörper in der Wiese. In die Kirche Maria Heimsuchung in Auersmacher hängte er einen riesigen Holzleistenkranz, der wie eine Dornenkrone im Chor der Kirche schwebte. Der Lichtkünstler François Schwamborn erarbeitete dazu eine kongeniale Lichtinstallation. Mit der Arbeit stellten die Künstler die Frage, „ob der Mensch Heil oder Dorn der Schöpfung“ sei.

Nicht immer überzeugen Steinerts Arbeiten, wenn sie zu symbolhaft aufgeladen sind. So etwa bei der Kugel vor der Wintringer Kapelle. Sie steht für die Erdball, eingearbeitet sind über 714 grüne Holzlatten, die für die UNESCO-Biosphärenreservate stehen. Die Kugel entstand aus der Dornenkrone in Auersmacher. Schwierig auch, weil sich das Objekt zu sehr in die Umgebung einpasst und nicht mehr als künstlerische Intervention im Raum stattfindet. Die schwächeren Arbeiten sind allerdings eine seltene Ausnahme.

Steinerts Objekte sind immer dann besonders gut, wenn sie viel Raum zum eigenen Entdecken lassen, Raum für Überraschungen bieten und man sich die Werke durch eigenes Schauen und Bewegen erschließen muss. Dabei ist gar nicht entscheidend, ob der Bildhauer abstrahiert oder erkennbar im Gegenständlichen verhaftet bleibt. Eine Ausnahme bildet die Idee, die Holzlatten von Besuchern beschriften zu lassen, etwa mit Wünschen. Entscheidend ist hier weniger die symbolhafte Aufladung der Cloud als „Wünschewolke“, sondern das partizipative Element, das Menschen zusammenbringt und Zeit zum Schauen und Nachdenken bietet. Wer ein Kunstwerk anfassen und „bearbeiten“ darf, nähert sich ihm anders.

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