Im Satire-Galopp durchs alte Jahr

Kirkel · In bester Spottlaune hat sich dieser Tage das achtköpfige Ensemble Marx, Ruge & Holzhauer in Kirkel präsentiert und beim satirischen Jahresrückblick kein heißes Thema ausgelassen. Belohnt dafür wurden die Künstler mit mächtig viel Applaus.

 Viel Applaus gab es für Steffen Ruge, Felix Holzhauser, Hannah Neumann, Jürgen Holzhauser, Hans Ruge, Reiner Marx, Sigi Becker und Leander Usner (von links) bei der Schlussverbeugung in der Arbeitskammer. Foto: Martin Baus

Viel Applaus gab es für Steffen Ruge, Felix Holzhauser, Hannah Neumann, Jürgen Holzhauser, Hans Ruge, Reiner Marx, Sigi Becker und Leander Usner (von links) bei der Schlussverbeugung in der Arbeitskammer. Foto: Martin Baus

Foto: Martin Baus

Flüchtlinge und passend dazu allzeit hilfsbereite Menschen, islamistischer Terror, Sozialismus und Orgasmus, Überwachung, Griechen und gebrochene Herzen: Es war ein Parforceritt kreuz und quer durch das aktuelle Themendickicht, und wie es sich für veritable Satire gehört, gab es weder Tabuzonen noch Verschonung - ein jeder und alles bekam, wie es sich gehört, definitiv sein Fett weg.

"Bombenstimmung - das bunte Krisenkabarett" lautet der Titel des neuen Programms, mit dem das sieben- bis achtköpfige Ensemble Marx, Ruge & Holzhauser jetzt Premiere feierte. Gleich zwei Mal hintereinander ausverkauft, hieß es dafür im großen Saal des Kirkel-Neuhäuseler Bildungszentrums der Arbeitskammer. Gut 27 Jahre, nachdem mit "Schablonskys Juckpulver" in der "Galerie am Turm" des Altstadter Künstlers Hans Schwender alles seinen Ausgang genommen hatte, präsentierte sich die "altlinke Gurkentruppe, an welcher der Zahn der Zeit sichtlich nagt" - so die Eigenwerbung - in bester Spottlaune. Apropos 27 Jahre: Dieses "Jubiläum" bildete auch den Anlass für eine besondere Art Festschrift, die 280 Seiten stark und reich bebildert die Geschichte dieser mit zielsicherer ironische Spitzfindigkeit auf Duzfuß stehenden Crew Revue passieren lässt und die es in Kirkel jetzt erstmals zu kaufen gab.

In den Blickpunkt rückte der erst mit FDP-gelber Joppe und später mit grünschwarzem Rüschenwams auch optisch augenfällige Reiner Marx. "Dissertiert" und entsprechend mit Doktorentitel bestückt, zudem mit dem zweiten Vornamen "Maria" schon von Geburt an gegendert, arbeitete er sich fortdauernd professoral-akademisch-reaktionär an der "fragwürdigen Revolutionskapelle" im Allgemeinen und an seinem eher gewerkschafterisch-proletarisch daherkommenden Widerpart Jürgen Holzhauser ab. Bitterböse Spitzen setzte er in alle Richtungen, zum Beispiel der SPD , die die ideale Partei für diejenigen sei, die partout nichts mit Politik zu tun haben mögen. In Bayern hingegen mutmaßte Marx den "Mautesel der europäischen Bergwelt", der nur danach trachte, ein katholisches Kalifat unter Einschluss der braunen österreichischen Stammlande zu kreieren. Und die Grünen: Die seien nur noch zu einem allenfalls fahlgrün bemäntelten Abklatsch der abhanden geratenen FDP degeneriert.

Zwischen dialogischem Gezänke gab es jede Menge Musik und Gesang, was aber eher kaum ironischen Touch hatte. Da ging es um Underdogs, Verlierer und Verlorene - etwa, als die 23-jährige Hannah Neumann mit kristallklarer Stimme den Emmylou-Harris-Klassiker "My name is Emmet Till" interpretierte. Da hätte man schon eine Stecknadel auf dem angejahrten Teppichboden der Arbeitskammer fallen hören können. Aber auch als sie mit Felix Holzhauser in süßlichster Musicalmanier im Duett "Fast Car" von Tracy Chapman zu Gehör brachte, herrschte größte Konzentration im Saal. "Das ewige Gejammere über Glücksdefizite" stieß indes Kommentator Marx bitter auf, worauf er sich nicht nur über "beamtete Stadtteilbohemiens" ereiferte. Nein, Marx sang gleich selbst, und zwar erstmals - Premiere in der Premiere quasi. Zwischen Talking-Blues und Rap zu verorten war sein Vokalstück, das er mit gehauchtem "Yeah" leidenschaftlich beendete. "Anarcho-Barde" Sigi Becker intonierte Gilbert Becauds "Nathalie" und sonstiges Liedgut aus dem romanischen Sprachraum, Hans Ruge, von allem Anbeginn an mit von der kabarettistischen Partie, steuerte Stücke bei, die in guter alter Chansonmanier nichts an Aussagekraft zu deuteln ließen. Und Leander Usner zupfte zu alledem den Bass.

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