Ehemalige Arbeitslose als Begleiter im Alltag Der Wunsch nach Gesellschaft wird erfüllt

Kreis Neunkirchen · Bundesprogramm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“: Statt arbeitslos zu sein begleiten 15 Personen einsame Menschen.

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Foto: SZ

Gerne würde Margarethe S. (Name von der Redaktion geändert) mal wieder ans Grab ihres Mannes gehen und nach dem Rechten schauen. Aber allein traut sich die 84-Jährige nicht auf den Friedhof. Zum Mittagessen hat sie sich nur ein Butterbrot geschmiert, der Weg zum Einkaufsmarkt für frisches Obst und Gemüse  ist ihr zu beschwerlich. Den Nachmittag verbringt Margarethe dann allein vorm Fernseher, die berufstätige Tochter kommt erst am Wochenende wieder vorbei.

So oder so ähnlich geht es immer mehr Menschen. Dabei sind nicht nur Senioren von Einsamkeit betroffen, auch gehandicapte Menschen leiden oft darunter. Hier setzt das Projekt „Gemeinsam geht’s besser“ an, ein kostenloses Angebot für Menschen mit dem Wunsch nach Gesellschaft und sozialen Kontakten in ihrer gewohnten häuslichen Umgebung. Die interessierten Personen werden betreut durch ehemals Arbeitslose, die sich für diese Tätigkeit interessieren. Das Projekt wird finanziert durch das Jobcenter, den Landkreis Neunkirchen und die Landesregierung. Deshalb ist es für die Haushalte nicht mit Kosten verbunden. Als ein „Paradebeispiel für ein gesellschaftlich sinnvolles und wertvolles Projekt“ hebt Anton Jacob die Bedeutung von „Gemeinsam geht’s besser“ hervor. Der Geschäftsführer der AQA, der gemeinnützigen Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft des Landkreises, und Sozialdezernentin Birgit Mohns-Welsch erläuterten zur Halbzeit des auf drei Jahre angelegten Projekts im SZ-Gespräch, wie dieses funktioniert.15 Männer und Frauen zwischen 41 und 64 Jahren sind aktuell im Projekt beschäftigt, begleitet werden sie von Maria Ernst von der AQA. Deren Arbeit beginnt damit, dass sie die an einer Begleitung interessierten Menschen besucht, sie und ihr Umfeld kennenlernt und so herausfindet, wer von den Projektteilnehmern am besten „passt“. Es solle nicht über die Person hinweg entschieden werden, betont Maria Ernst. Auch die Verwandten sind in die Vorgespräche eingebunden, damit die Begleitung funktioniert. „Es handelt sich um eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit“, stellt Anton Jacob heraus. Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit und Ehrlichkeit seien wichtige Voraussetzungen dafür, ein polizeiliches Führungszeugnis sei selbstverständlich.

Zu den Aufgaben der Teilnehmer gehört es, die Menschen im Alltag zu begleiten. Sei  es beim Arzt- oder Friedhofsbesuch, beim Einkaufen oder auch nur beim Fernsehen. Man spielt zusammen, geht ins Kino oder den Zoo, lebt ehemalige Hobbys wieder auf.  Die Projektteilnehmer  helfen auch dabei, mit dem Rollator zurecht zu kommen, damit gehbehinderte Menschen sich trauen, das Haus auch mal allein zu verlassen. Arbeiten, die von gewerblichen Unternehmen oder Pflegediensten angeboten werden wie Pflege, Saubermachen oder Essenszubereitung sind ausgenommen. Bezahlt wird nach dem Mindestlohn, Kosten für öffentliche Transportmittel werden übernommen.

„Hauptziel ist, der Vereinsamung entgegenzuwirken“, sagt Birgit Mohns-Welsch. Einsame Menschen ohne Kontakt zur Außenwelt verlernten sogar das Reden. Eine beginnende Demenz beschleunige sich dadurch. Der Landkreis habe hohes Interesse daran, dass die Menschen so lange wie möglich zu Hause bleiben können, betont die Sozialdezernentin. Im Schnitt werden 50 bis 70 Haushalte im Landkreis besucht, meist Menschen mit geringem Einkommen. Jacob: „Im Prinzip ersetzen unsere Leute verstorbene Partner, Verwandte oder Freunde.“ Oft werden sie bereits sehnsüchtig zur verabredeten Zeit erwartet. Und wenn mal ein Begleiter ausfällt wegen Krankheit, dann – so weiß Anton Jacob – sind die Menschen meist tief enttäuscht.

Ansprechpartnerin für das Projekt bei der AQA ist Maria Ernst, Telefon (06821) 2 28 94. Info auch bei der Leitstelle Älter werden, Telefon (06824) 90 60.

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