Gemeinde „lernt“ Kirchenasyl

Neunkirchen · Auch in unserer Region ist Kirchenasyl für Flüchtlinge in Not inzwischen ein Thema. Meist wird „still“ entschieden. Am Mittwochabend soll das Thema öffentlich diskutiert werden. Mit Erläuterungen zur Rechtssituation und ersten Erfahrungen landesweit. SZ-Redakteurin Claudia Emmerich sprach mit Oswald Jenni, Diakon in der katholischen Pfarrgemeinde St. Marien Neunkirchen und Mitorganisator der Info-Veranstaltung im Kirchenladen „Momentum“.

Sie setzen das Thema Kirchenasyl auf die Tagesordnung. Warum?

Jenni: Das Thema ist aktuell und wird uns wohl in Zukunft noch viel stärker beschäftigen. Die Flüchtlingszahlen steigen, die Verfahren sind komplex, die Schicksale individuell, Antworten nicht immer einfach. "Stilles Asyl" wegen schwieriger Rechtslage ist auch in unserer Region bereits Realität. Wir in St. Marien haben ganz konkrete Anfragen. Da sitzen Flüchtlinge ohne rechtlich gesicherten Status traumatisiert in unserem Pfarrbüro. Und haben Angst, ins Erstankunftsland abgeschoben zu werden. Nach einem halben Jahr kann der Fall ja in Deutschland geprüft werden. Aber dieses halbe Jahr ist erst zu überbrücken.

Ein dünner Rechtsboden.

Jenni: Es ist eine Grauzone, die der Staat uns lässt. Zwischen Abschiebung und duldender Menschlichkeit. Wir hier im Neunkircher Raum erfahren wohlwollende Offenheit seitens der Ausländerbehörde des Landkreises. Man kann die Menschen ja nicht verstecken.

Wo gilt Kirchenasyl denn genau?

Jenni: Geschützter Raum ist nur in Kircheneigentum. Das heißt, im Grundbucheintrag muss Kirchengemeinde stehen.

Gibt es Kontakte zur evangelischen Kirchengemeinde Neunkirchen ?

Jenni: Ganz klar, das Thema berührt uns doch alle. Pfarrerin Britt Goedeking hat auch einen Einladung für den Mittwoch erhalten. Wir tauschen Informationen aus, besprechen uns.

Diese Info-Veranstaltung am Mittwochabend im Kirchenladen "Momentum", an wen richtet sie sich konkret?

Jenni: Die Veranstaltung will grundsätzlich über die Problematik Kirchenasyl aufklären. Sie ist offen für alle Entscheidungsträger in den Räten der Kirchengemeinden. Wir haben sie auf Dekanatsebene angeschrieben. Sie ist aber auch offen für die Gemeindebasis, interessierte Mitchristen. Wir wollen die rechtliche Situation beleuchten und Informationen aus den ersten Erfahrungen mit "stillem Kirchenasyl " weitergeben.

Wenn Ihre "konkreten Fälle" in St. Marien zur Dringlichkeit würden, wie fiele die Entscheidung aus?

Jenni: Ich denke schon, dass wir bereit sind. Ich würde meine ganze Persönlichkeit reinwerfen und Pastor Wilhelm sicher auch. Aber wir wollen die Entscheidung über so eine komplexe, weitreichende und womöglich folgenreiche Frage auf breite Basis stellen. Der Verwaltungsrat soll sagen: Wir sind damit einverstanden. Im Falle eines Falles sind da ja auch Kosten zu übernehmen - Unterkunft, Versorgung, Fürsorge. Das Ja zu Kirchenasyl in einem konkreten Fall sollte die ganze Gemeinde mittragen.

In christlicher Verantwortung. . .

Jenni: Ja, und wie diese aussieht, muss offen diskutiert werden. Können wir sonntags in der Messe für Flüchtlinge beten und dann nicht handeln? Und wie weit gehen wir? Wo ist eine Grenze? Wen nehmen wir und wen nicht?

So ein Abstimmen dürfte schwierig sein.

Jenni: Was wir jetzt mit der Flüchtlingsfrage erfahren, ist ein Prozess. Und ist auch ein Lernen für uns als christliche Gemeinde. Aber auch eine Chance. Lernen, für diese Menschen einen Blick zu haben, einen Gestaltungsspielraum nutzen, um kleine Zeichen zu setzen. Wer bislang Flüchtlinge auf TV-Bildern vom bequemen Sessel aus wahrnimmt, sieht sie jetzt vor Ort mit konkreten Gesichtern. Das mag auch den bürgerlichen Horizont weiten.

Zum Thema:

Auf einen Blick"Kirchenasyl , ein Handlungsmodell christlicher Gemeinden für Flüchtlinge in Not?" Darüber referiert Diakon Horst-Peter Rauguth aus Saarbrücken am Mittwoch, 10. September, um 19.30 Uhr im Kirchenladen "Momentum" auf der Bliespromenade in Neunkirchen . Mit Diskussion. red

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort