Weit entfernt vom Mindestlohn

Mettlach · Für ihre Schützlinge opfern sie sich auf – mit viel Engagement. Doch die Bezahlung von Tagesmüttern ist mehr als mau. Daher hat Tanja Tulipan-Braun eine Eingabe an die saarländische Landesregierung gerichtet.

 Marion Köhler (l.) und Tanja Tulipan-Braun aus Mettlach mit „ihren“ Kindern. Foto: Rolf Ruppenthal

Marion Köhler (l.) und Tanja Tulipan-Braun aus Mettlach mit „ihren“ Kindern. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

Ganz vorsichtig trippelt William dem Sandkasten entgegen. Zwar kann der kleine Mann alleine laufen, doch sicher ist sicher. So umfasst der 17 Monate alte Knirps mit seiner Hand einen Finger von Marion Köhler, strahlt die Mettlacherin freudestrahlend an. Das Ziel ist erreicht - das knuffige Kerlchen lässt sich in den weiß-grauen Spielsand plumpsen, freut sich über die Figuren, die er und seine Tagesmutter aus dem Sand bauen. Derweil klettern Collin und Lars in den leeren Pappkarton, balgen ausgelassen in dem großzügig angelegten Garten, den Marion Köhler und Tochter Tanja Tulipan-Braun in dem Anwesen in der Von-Boch-Liebigstraße 39 angelegt haben - ein Paradies eigens für ihre Schützlinge.

Doch was für die muntere Rasselbande der Kita Maya mit Außenanlage und kuscheligem Domizil ein Schlaraffenland ist, bedeutet für die beiden Tagesmütter harte Arbeit von morgens um sechs bis 20 Uhr und einen Verdienst unter Hartz-IV-Niveau, wie die beiden Frauen klagen. "Seit dem 1. Januar 2015 gibt es bundesweit einen Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde. Wir haben einen Stundenlohn von 3,30 Euro brutto - dafür, dass uns das Wichtigste anvertraut ist, was es gibt. Denn Kinder sind unsere Zukunft", sagen Rosi Matz und Antje Schröder, die mit einigen ihrer Racker Mutter und Tochter einen Besuch abstatten. "Von dem bisschen Geld zahlen wir Steuern, unsere Krankenversicherung und die Anschaffungen, die anfallen." Anders als Kitas oder Kindergärten, für die Kommunen oder Kirchengemeinden Spielzeug und Mobiliar zahlen, müssen die Tagesmütter für all dies selbst aufkommen - ohne einen Pfennig Unterstützung, wie die vier Frauen sagen. Ihren Wunsch nach besseren Arbeitsbedingungen und leistungsgerechterer Bezahlung hat Tanja Tulipan-Braun in einer Petition formuliert. Ein Kritikpunkt in der Eingabe an die Landesregierung: Die saarländische Verordnung, bis 31. Dezember 2015, befristet, gilt immer noch. Dabei liegt längst eine neue vor. Das bestätigt die Kreisverwaltung auf SZ-Anfrage. "Der Landesarbeitskreis Kindertagespflege arbeitete an einer Erneuerung der Verordnung, vor allem sollte sich an der Bezahlung etwas ändern. Allerdings wurde nach großem Aufwand in der inhaltlichen Bearbeitung die alte Verordnung von September 2009 entfristet und läuft seitdem so weiter. Was zu großem Unmut und Enttäuschung bei den Tagesmüttern und auch dem Fachdienst geführt hat." Die Folge: das Gesuch von Tagesmüttern des Grünen Kreises mit 17 Unterschriften, darunter die vier Frauen aus Mettlach . Weitere Forderungen haben sie klar formuliert: 29 Tage Urlaub analog zu den Fachkräften in den Kitas, zwei bezahlte Fortbildungstage, zehn Prozent mehr Vergütung für Kinder unter einem Jahr und eine jährliche Aufwandsentschädigung von 100 Euro pro Platz. Nach Auskunft der Kreisverwaltung soll im September eine Entscheidung getroffen werden. Eine neue Verordnung sei in Arbeit, heißt es aus dem Landratsamt. Die soll Ende dieses Jahres, Anfang kommenden Jahres in Kraft treten. Dann könnte sich auch, so hoffen die Verantwortlichen des Jugendamtes, an der Bezahlung etwas ändern.

2009 hat sich Tulipan-Braun entschlossen, ihren Beruf als Bürokauffrau aufzugeben, um ihre älteste Tochter Laura zu betreuen. Mit an Bord holte sie ihre Mutter, die ihren Job dafür an den Nagel gehängt hat. Den Platz von Laura, die jetzt zur Schule geht, hat mittlerweile Schwesterchen Isabelle inne.

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Auf einen Blick Nach Angaben des Jugendamtes gibt es 38 Tagesmütter und Tagesväter im Kreis. Die Plätze seien zum größten Teil ausgelastet. "Wir könnten mehr Tagesmütter gebrauchen, vor allem für die Randzeiten." Die Bezahlung der Tagesmütter lege jedes Bundesland in einer Landesverordnung fest. Diese wurde von dem damaligen Ministerium für Bildung, Familie, Frauen und Kultur ausgearbeitet. Aus dem Ministerium für Bildung und Kultur, Nachfolger des aufgelösten Ministeriums, heißt es: "Wir arbeiten an einer neuen Verordnung." Das Geld für die Tagesmütter zahlt das Jugendamt aus. Zur Förderung des Jugendamtes wird ein Elternbeitrag gezahlt, der abhängig vom Einkommen ist. red

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