Erfahrungsbericht Im Vollrausch durch die Sporthalle

Losheim · Welche Auswirkungen hat Alkohol auf den Körper? SZ-Mitarbeiterin hat sich gemeinsam mit Schülern in Losheim dem „KlarSicht“-Parcours gestellt, um dies am eigenen Leibe zu erfahren.

 Die Rauschbrille simuliert 1,5 Promille. Damit einen Parcours bewältigen? Gar nicht so einfach.

Die Rauschbrille simuliert 1,5 Promille. Damit einen Parcours bewältigen? Gar nicht so einfach.

Foto: Ruppenthal

Schüler torkeln benebelt durch die Dr.-Röder-Halle. Auf ihrer Nase tragen die Jungen und Mädchen eine Brille, die so aussieht, als ob man damit tauchen gehen würde. Diese Rauschbrille gaukelt ihnen vor, bis zu 1,5 Promille intus zu haben. Damit müssen die Schüler einen Parcours meistern, der ihnen verdeutlichen soll, wie orientierungs- und hilflos man sich unter Alkoholeinfluss fühlen kann.

Am Vormittag sollten sich jeweils eine siebte und achte Klasse der Peter-Dewes-Gemeinschaftsschule eineinhalb Stunden mit dem Thema Alkohol und Tabak auseinandersetzen. Der „KlarSicht“-Mitmach-Parcours der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) machte dieser Tage zum ersten Mal Halt in Losheim und informierte die Jugendlichen über die Gefahren von Alkohol und Tabak.

Bevor es mit dem Parcours losging, wurden die Klassen in Gruppen eingeteilt. Dann erklärte einer der Moderatoren die Spielregeln: Bei jeder der fünf Stationen können die Schüler Punkte sammeln, zehn ist die Höchstanzahl pro Zwischenstopp. Reines Wissen wird nicht abgefragt, nur die aktive Mitarbeit der jungen Leute zählt.

Nach der Wahl eines Gruppennamens ging es für unsere Gruppe an den Start des Parcours. Beim „Tor der Entscheidung“ mussten sie auswählen, ob es für uns in Ordnung ist, wenn einer ihrer Freunde raucht. Drei Säulen standen zur Auswahl, je eine mit „Ja“, „Nein“ und „Vielleicht“ betitelt. Mit Bällen konnten sie ihre Wahl treffen, die eindeutig ausging: Die deutliche Mehrheit der Schüler sind damit einverstanden, wenn ihre Freunde rauchen.

Die erste Station für uns war die „Talkshow“. Hier mussten die Jugendlichen eine Geschichte entwickeln, in der es um Probleme geht, die im Umgang mit Alkohol oder Tabak entstehen können. Die Handlung war schnell gestrickt: Ein Außenseiter möchte Teil der coolen Clique werden. Um aufgenommen zu werden, muss Erkan eine Mutprobe ablegen: so viel trinken und rauchen wie möglich. Da Erkan bereits volljährig ist, ist es für ihn ein Leichtes, an die entsprechenden Substanzen zu kommen. Als diese jedoch zur Neige gehen, muss er mehr besorgen. Also steigt er betrunken auf sein Motorrad, macht sich auf den Weg und fährt am Ende gegen einen Baum. Im Krankenhaus realisiert er, dass er sich die falschen Freunde ausgesucht hat und dass echte Freunde dies niemals von ihm verlangen würden. Darin ist sich auch die Gruppe einstimmig einig: Sollte einer ihrer Freunde je dergleichen von ihnen verlangen, würden sie nicht mitmachen.

Die Moderatorin der „Talkshow“-Station erklärte anschließend die gesetzlichen Regelungen für den Kauf von Alkohol und Tabak sowie die Regelung für den Führerschein. Denn in der zweijährigen Probezeit gilt die Null-Promille-Grenze, die darüber hinaus bis zum 21. Lebensjahr wirkt. Zudem wurden auch die Folgen des Alkoholkonsums besprochen: Verminderte Reaktionszeit, schlechte Sicht und die Gefährdung von anderen Straßenteilnehmern wurden genannt. Auf die Frage hin, wie Erkan diese Situation hätte vermeiden können, fallen Antworten wie „die Prüfung nicht mitmachen“, „eine eigene Entscheidung treffen“ oder „beim Lehrer Hilfe suchen“.

Danach ging es für die Schüler an die zweite Station, die sich dem Thema Alkohol verschreibt. An der „Trinkbar“ wurden zunächst Informationen über Alkohol gesammelt, wie beispielsweise, dass die jungen Körper der Schüler noch nicht so viel vertragen und verfrühter Alkoholkonsum die Entwicklung stören und Gehirnzellen absterben lässt. Innerhalb kurzer Zeit mussten sie entscheiden, welches Getränk am meisten Alkohol enthält. Zur Auswahl standen Bier, Schnaps, Sekt, Rotwein, Likör und ein Mischbier. Während Schnaps und Likör mit über 40 Prozent Alkohol zu Buche schlagen, haben Sekt und Rotwein höchstens 15 und die beiden Biersorten unter zehn Prozent. Doch wie verhält es sich mit der reinen Grammzahl von Alkohol in den Getränken? Hier sah es anders aus, denn während Schnaps und Likör zwar höherprozentig sind, enthalten Sekt und Rotwein den meisten reinen Alkohol. Des Weiteren wurde deutlich, dass es bei diesen Getränken vor allem auf die Menge ankommt. In ein Bierglas passen bis zu 15 Schnapsgläser. Weil Alkohol erst nach 30 Minuten seine Wirkung zeigt, nimmt der Schnapstrinker innerhalb kürzester Zeit weitaus mehr Alkohol zu sich als der Biertrinker. Als zum Schluss der Station erklärt wurde, wie lange der Körper für den Abbau von Alkohol braucht, sind alle überrascht: Nur 0,1 Promille werden pro Stunde abgebaut.

Der dritte Zwischenstopp war die Hauptattraktion des Parcours: die Rauschbrille. Diese zog jeder Schüler einmal an, um einen Ball entlang von roten Linien ins Ziel zu tragen. Was einfach klang, wurde für manchen zur Herausforderung. Die Rauschbrille zeigte prompt ihre Wirkung und so stolperten und wankten die Schüler benommen über die Linie, verfehlten den Ball und suchten orientierungslos nach ihm. Alle zeigten sich amüsiert über die Tollpatschigkeit der Mitschüler, Worte wie „geiler Effekt“ fielen. Was lustig aussah, war für mich eine völlige Überforderung. Mit dem Aufsetzen der Brille schaltet sich das räumliche Sehen fast aus, schon beim Versuch, den Ball zu greifen, scheitere ich, und so rollt er über den Boden weit von mir weg. Ihn ohne fremde Hilfe wiederzufinden, scheint aussichtslos. Die roten Linien auf dem Boden sind nur vage zu erkennen, ich torkle trunken dem Ziel entgegen und schaffe es letztendlich doch noch, den Ball dort abzugeben.

Dass ich das Ziel ohne Zwischenfall erreiche, verdanke ich dem fehlenden Straßenverkehr. Wie es sich verhält, betrunken durch die Nacht zu laufen, entlang einer Straße, erschließt sich mir erst jetzt. Auch die Schüler sehen das am Ende ein. Was während des Parcours lustig aussieht, kann im echten Leben schnell böse ausgehen. Taumelt man betrunken die Straße entlang, kann man stürzen. Die Lichter der Autos scheinen weit entfernt, man hat die Orientierung und die Kraft verloren. Mir erscheint es völlig unmöglich, in diesem Zustand alleine nach Hause zu wanken. An Autofahren ist nicht zu denken. Dessen sind sich alle im Team bewusst, dennoch lachen sie darüber. Hier beim „KlarSicht“-Parcours können wir die Brille einfach abnehmen, doch in der Realität können wir das nicht. Als Fazit der dritten Station sagen alle, dass sie einander stützen, das Glas wegnehmen und ihrem Freund mitteilen würden, wenn er genug habe.

Als nächstes fanden wir uns an der „Image“-Station ein. Dort setzte die Gruppe sich mit den Werbeversprechen der Alkohol- und Tabak-Industrie auseinander. Als Beispiel wählten wir die Wodka-Gorbatschow-Werbung, bei der die Flasche Wodka aus dem kalten Eis bricht und sich ein Eisbär davon einschenkt. Nach der Analyse der Werbung mussten wir uns selbst eine Reklame für unser Alkoholgetränk ausdenken. Dabei fiel auf, dass wir genau das Gleiche taten wie die Werbeindustrie. Auch wir griffen zu positiven Attributen wie Spaß, Strand und gutem Wetter, um unser Produkt zu bewerben. Mit 40 Prozent Alkohol kommt es allerdings als leichtes Sommergetränk nicht in Frage. Den Moderatoren der jeweiligen Station beobachteten unsere „Konferenz“ und stimmten dieser zu, doch es gelang ihnen immer wieder, der Geschichte die Wendung zu verpassen, sodass unser Produkt in der Realität gar nicht mehr so toll war wie gedacht.

Die letzte Station beschäftigte sich mit dem Thema Tabak. Der Fokus lag dabei allerdings nicht nur auf der Zigarette, sondern thematisierte auch die trendige Shisha, also die Wasserpfeife. Die beiden Moderatoren zeigten uns eindrucksvoll anhand eines großen Plakats, wie viel Geld man im Jahr für Zigaretten ausgeben würde, wenn man täglich eine Packung raucht. Schnell ist man da über 1000 Euro, die die Schüler sofort in neuere Laptops oder Handys investieren würden. Zudem wurden uns die gesundheitlichen Risiken der Wasserpfeife erklärt: Da der Rauch durch das Wasser gekühlt wird, ist dieser, anders als bei der Zigarette, kalt. An der Pfeife kann länger gezogen werden, es kommen dadurch mehr Giftstoffe in den Körper. Außerdem ist bei Tabak die Suchtgefahr besonders hoch. Darf ich beispielsweise nur in meiner Pause auf der Arbeit oder in der Schule rauchen, assoziiert der Körper nach einigen Wochen jede Zigarette mit dem Gefühl von Pause.

Zum Abschluss mussten wir erneut vor das „Tor der Entscheidung“ treten und dieselbe Frage beantworten wie zu Beginn: Findet ihr es in Ordnung, wenn eure Freunde rauchen? Nach dem Durchlaufen des Parcours änderte sich die Ansicht der Schüler nicht: Die entschieden sich erneut für „Ja“ und somit dafür, dass sie nichts einzuwenden haben, wenn einer ihrer Freunde raucht. „Manche Entscheidungen werden unter Gruppenzwang getroffen“, sagt Gabriele Wahlen vom Gesundheitsamt in Merzig. Nach ihren Worten unterschätzen sowohl Jugendliche als auch Erwachsene die Auswirkungen des Alkohols. Statt sich davon abschrecken zu lassen, „verknüpfen sie brenzlige Situationen mit etwas Positivem: Ist ja nochmal gut gegangen“, erklärt Wahlen.

 SZ-Mitarbeiterin Tina Leistenschneider wagt den Selbsttest: Unter Anleitung von Tim Knospe probiert sie die Rauschbrille aus und erkundet gemeinsam mit Losheimer Schülern die Stationen des „KlarSicht“-Parcours.

SZ-Mitarbeiterin Tina Leistenschneider wagt den Selbsttest: Unter Anleitung von Tim Knospe probiert sie die Rauschbrille aus und erkundet gemeinsam mit Losheimer Schülern die Stationen des „KlarSicht“-Parcours.

Foto: Ruppenthal

Umso wichtiger sei Aufklärung: „Für uns ist es wichtig, dass sie das Wissen mitnehmen und es im Kopf bleibt“, erzählt Wahlen abschließend. Die Voraussetzungen hierfür scheinen bei unsere Gruppe gegeben: Wir erzielten an jeder Station die vollen zehn Punkte.

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