Unterschriften für Glockenverbleib Hakenkreuz-Glocke wandert ins Museum

Rilchingen-Hanweiler/Saarbrücken · Die Kirchenglocke mit den NS-Symbolen von Rilchingen-Hanweiler wird im April abgehängt. Bürger protestieren aber dagegen.

 Die evangelische Erlöser-Kirche in Rilchingen-Hanweiler. Oben hängt die Glocke mit den vier Hakenkreuzen, die derzeit abgeklebt sind. Am 19. April soll die Glocke ins Historische Museum Saar gebracht werden.

Die evangelische Erlöser-Kirche in Rilchingen-Hanweiler. Oben hängt die Glocke mit den vier Hakenkreuzen, die derzeit abgeklebt sind. Am 19. April soll die Glocke ins Historische Museum Saar gebracht werden.

Foto: Heiko Lehmann

Die Glocke der evangelischen Erlöserkirche in Rilchingen-Hanweiler, die von vier Hakenkreuzen umkränzt wird, schweigt seit September 2017. Das Presbyterium der Kirchengemeinde hatte entschieden, die Glocke, die im Herbst 1933 in der damals vom Saarbrücker Architekten Rudolf Kiefer neu errichteten Kirche aufgehängt worden war, nicht mehr zu läuten. „Wir haben den Glocken-Experten Volker Löbel aus Blieskastel beauftragt, die Glocke am 19. April abzuhängen“, sagte der Pfarrer Gerd Schroer jetzt der SZ. Die Glocke solle ins Historische Museum Saar in Saarbrücken gebracht werden. „Das Museum kann die historischen Hintergründe besser veranschaulichen, als wir es mit einer Hinweistafel an der Kirche tun könnten“, erklärte Schroer, der auch Vorsitzender des Presbyteriums ist.

Doch wie im pfälzischen Herxheim, wo der Gemeinderat und der Bürgermeister Georg Welker, ein evangelischer Ruhestandspfarrer, für den Verbleib der so genannten „Hitler-Glocke“ stimmten, gibt es auch Proteste gegen die Entfernung der Glocke aus der Erlöserkirche. Eine Bürger-Initiative „Lasst uns die Glock´ im Ort“, vertreten durch die beiden Historiker Wolfgang Harres und Franz-Ludwig Strauss, Studiendirektor im Ruhestand, haben 235 Unterschriften gesammelt. Diese Unterzeichner wehren sich gegen den Abhängebeschluss des Presbyteriums. Zudem sind die Unterzeichner der Meinung, dass die Glocke 1933 von den evangelischen Christen, dem Presbyterium und dem Pfarrer Ernst Rieth „einmütig angeschafft“ wurde. Sie hätten auch die vier Hakenkreuze und den Schriftzug vom Glockengießer anbringen lassen.

Neben den Hakenkreuzen prangt der Satz „Gott war in Gnaden, daß bald tue kund die Rückkehr zu Deutschland dein eherner Mund 1933“. Das Saarland war von 1919 bis 1935 unter Verwaltung des Völkerbunds, der Vorläuferorganisation der Uno in Genf. Am 13. Januar 1935 stimmten über 90 Prozent der Saarländer für den Anschluss an Hitler-Deutschland. Tausende Juden, Sozialdemokraten, Kommunisten und katholische Widerstandskämpfer mussten danach vor dem NS-Terror fliehen. Die Inschrift von 1933 beziehe sich auf die Abstimmung 1935, teilte das Presbyterium mit.

Dagegen vertritt die Bürger-Initiative die Auffassung: „Die Glocke ist ein Zeitdokument und keine Verherrlichung des Nationalsozialismus.“ So steht es über der Unterschriftenliste. Weiter verlangen die Unterzeichnenden den Verbleib der Glocke an Ort und Stelle und „ihre tageszeitliche und liturgische Verwendung“. Also: Die Glocke mit den Hakenkreuzen, die seit September mit schwarzem Klebeband verdeckt sind, soll wieder läuten.

Ende Februar hat Strauss (71)  die 235 Unterschriften an Pfarrer Schroer übergeben. Danach sollte ein „Runder Tisch“ am 12. März stattfinden, zu dem die Ortsvorsteherin von Rilchingen-Hanweiler, Erika Heit (CDU), Vertreter des Ortsrats, des Presbyteriums und der Bürger-Initiative eingeladen hatte. „Wir wollten in einer geschlossenen Veranstaltung ergebnisoffen über die Glockenfrage diskutieren“, sagte Heit der SZ. Doch kurz vorher habe Pfarrer Schroer ihr mitgeteilt, dass die Entscheidung des Presbyteriums Bestand habe. „Das ist schade, aber das müssen wir so akzeptieren“, erklärte Heit. Der „Runde Tisch“ kam nicht zustande.

Darüber zeigte sich der Mit-Initiator der Bürger-Initiative Harres sehr enttäuscht. Harres (82) erklärte, dass er am 19. April, wenn die Glocke abgehängt wird, aus der evangelischen Kirche austreten werde.

Fundamental andere Emotionen zeigte der Chef des Historischen Museums Saar, Simon Matzerath, als er hörte, dass die Hakenkreuz-Glocke in Kürze in sein Haus gebracht werde. „Wir nehmen die Glocke auf jeden Fall. Sie passt gut in unsere Sammlung“, erklärte Matzerath. Der Museumschef sieht in den Hakenkreuzen und in der Inschrift „einen klaren Bezug zum Nationalsozialismus“. Er betonte, dass er sich „sehr freue“, die Glocke übernehmen zu können. Vor allem wegen der aktuellen Debatte über die Nazi-Glocken in der Region gebe es viel Erklärungsbedarf. Matzerath kündigte an, die Hakenkreuz-Glocke in der Sonderausstellung über die „1920er Jahre“, quasi als Schlusspunkt, präsentieren zu wollen.

 235 Unterzeichner: Franz-Ludwig Strauss mit der Unterschriftenliste.

235 Unterzeichner: Franz-Ludwig Strauss mit der Unterschriftenliste.

Foto: Heiko Lehmann

Der höchste Vertreter der Evangelischen Kirche im Saarland, Kirchenrat Frank-Matthias Hofmann, sagte, er sehe es „sehr positiv“, dass die Glocke aus Rilchingen-Hanweiler ins Historische Museum Saar komme. Hofmann hatte im Herbst 2017 als Mit-Herausgeber des Buches „Protestanten ohne Protest. Die evangelische Kirche der Pfalz in der NS-Zeit“ den Pfalzpreis erhalten. Auch in Homburg-Beeden hängt noch eine historisch problematische Glocke in der evangelischen Kirche. „Besteht in der Freiheit (Gal. 5, V 1). Gegossen im Jahr der Saarbefreiung 1935“, heißt der Glockenspruch.

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