Gemeinsam gegen Mobbing

Losheim/Saarbrücken · Mobbing unter Schülern ist für Lehrer oft nur schwer zu erkennen - gerade, wenn es im Internet geschieht. Schulsozialarbeiter sind oft verstärkt mit dem Thema befasst. Sie setzen auf Zusammenarbeit der ganzen Klasse.

Losheim/Saarbrücken. "Es ist schwer für Lehrer, Mobbing-Attacken unter Schülern zu erkennen, da sie sehr unterschwellig stattfinden", erklärt der Sozialpädagoge Dominik Cartus, der selbstständig für die Firma Soko, Team für Soziale Kompetenz, arbeitet. Er vertritt die Meinung, dass Lehrer gezielter auf solche Konflikte im Schulalltag vorbereitet werden sollten. Annette Reichmann vom Bildungsministerium nimmt die Pädagogen ein wenig in Schutz: "Es gibt entsprechende Kurse für Lehrer am Landesinstitut für Pädagogik und Medien. Aber ein Lehrer kann nicht alles sein, Pädagoge und Sozialarbeiter zugleich." Daher gebe es schließlich die Schulsozialarbeiter, die den Lehrern bei solchen Themen Hilfestellung geben sollen.Eine dieser Schulsozialarbeiterinnen ist Eva Schmidt-Vollmer vom Diakonischen Werk. Sie arbeitet an vier Gymnasien im Regionalverband, so auch am Ludwigsgymnasium in Saarbrücken.

Ihr Eindruck ist, dass viele Lehrer ein gutes Gespür für die Stimmung in ihren Klassen haben. Auch die, die nicht extra ausgebildet sind. "Die Lehrer sind gut im Bild, was Konflikte unter den Schülern angeht", sagt Schmidt-Vollmer. Das sei nicht nur bei Mobbing so; ein Begriff, der bei ihrer Beratung selten benutzt werde. Gemeinsam mit den Schulen entwickelt sie Konzepte für die Gymnasien, um unter anderem gegen Mobbing vorzugehen und Schülern, Eltern und auch Lehrern bei dem Thema zu helfen. Wichtig dabei sei, dass jeder zu der Beratung kommen könne. "Wir müssen die Situation gemeinsam beurteilen, anstatt die Betroffenen zu verurteilen", sagt Schmidt-Vollmer. Dazu zählen Lehrer, Opfer und Täter. "Alle Beteiligten müssen überlegen: Um was geht es hier wirklich? Nur in offenen Gesprächen taucht der Kern des Problems auf", erklärt die Schulsozialarbeiterin. Dabei reiche es nicht aus, nur einmalig die Konflikte anzusprechen. "Es muss über längere Zeit besprochen werden", sagt Schmidt-Vollmer.

Mobbing findet aber auch an Orten statt, an denen es sich dem Einfluss Erwachsener entzieht: im Internet. "In sozialen Netzwerken wie Facebook geht das Mobbing weiter", sagt Heinz Paulus, Schulleiter des Ludwigsgymnasiums. Aus Gesprächen mit Betroffenen weiß er, dass Mobber dort ihre Opfer beschimpfen, beleidigende Kommentare zu deren Fotos abgeben oder Dinge in den Dreck ziehen, die dem Gemobbten wichtig sind. "Die Schüler haben dort kaum begrenzten Zugang zu ihren Opfern", sagt Paulus.

Schmidt-Vollmer, die mit Paulus zusammenarbeitet, setzt auch hier auf Transparenz. "Lehrer sollten Cybermobbing offen in der Klasse ansprechen. Nicht auf einzelne Fälle eingehen, sondern allgemein. Wenn es Mobbingfälle gibt, weiß meist die ganze Klasse Bescheid. Daher sollten alle an einen Tisch gesetzt werden, um das Problem gemeinsam anzugehen", sagt Schmidt-Vollmer.

> Lesen Sie im sechsten und letzten Teil unserer Serie: Von der Schwierigkeit, Mobbing zu beweisen.

team-soko.de

"Nicht alles kann man lernen"

Mit Dr. Christoph Paulus, zuständig für die Lehrerausbildung an der Universität des Saarlandes, sprach SZ-Redaktionsmitglied Nadine Klees darüber, wie junge saarländische Lehrer geschult werden, um mögliche Mobbing-Attacken an Schulen zu erkennen und richtig zu reagieren.

Herr Paulus, wie werden Lehramtsstudenten an der Universität des Saarlandes auf das Thema Mobbing unter Schülern vorbereitet?

Dr. Christoph Paulus: Seit drei Semestern biete ich ein Seminar zu diesem Thema an. Die Studenten erfahren zum Beispiel, wie sie Mobbing erkennen oder mit den Schülern umgehen.

Wieso erst seit drei Semestern?

Paulus: Das Thema ist erst seit ein bis zwei Jahren wirklich aktuell - auch für wissenschaftliche Untersuchungen. Vorher fiel so etwas allgemein unter die Thematik "Gewalt an Schulen".

Ist das Seminar verpflichtend?

Paulus: Nein, es ist freiwillig, wird aber sehr gut angenommen. In diesem Semester besuchen es 60 bis 70 Lehramtsstudenten. Das Interesse ist sehr groß. Ich musste sogar Studenten ablehnen, weil das Seminar einfach zu voll war.

Wie wichtig ist das Vermitteln von sozialen Kompetenzen in der Lehrerausbildung im Vergleich zu fachlichen?

Paulus: Sehr wichtig. Das Problem ist, dass man nicht alle sozialen Kompetenzen auch erlernen kann. Manche muss man auch schon mitbringen, wie zum Beispiel Einfühlungsvermögen.

Wie werden soziale Kompetenzen an junge Lehrer im Studium vermittelt?

Paulus: Wie gesagt, nicht alle sozialen Kompetenzen sind vermittelbar. Aber meist steht das Fachliche während des Studiums im Vordergrund. Es gibt das Mikro-Teaching. Dabei wird quasi Schule gespielt an der Uni. Da können die Studenten etwas lernen.

Kann man das verbessern?

Paulus: Nein. Ein Lehrer muss nicht nur einfühlsam sein, sondern sich auch vor einer größeren Gruppe bewegen können, selbstsicher auftreten, aber auch eine Autorität verkörpern. Das kann man nicht alles während eines Studiums erlernen. In manchen Fällen entwickeln sich die Studenten weiter. Das ist auch der Grund, warum zu Beginn des Studiums keine Vorauswahl nach solchen Kriterien stattfindet. Man möchte jedem die Chance lassen, sich zu entwickeln.

Wie gut sind saarländische Lehramtsstudenten am Ende ihres Studiums auf Mobbing-Fälle vorbereitet?

Paulus: Am Ende des Studiums, nach dem bereits erwähnten Seminar, sind sie gut vorbereitet. Das ist aber nicht nur unsere Aufgabe. Das Landesamt für Prävention kümmert sich auch darum und bietet Kurse für Lehrer an. Das Problem ist, dass das Angebot nicht von allen Schulen wahrgenommen wird. Ich bin dafür, dass bestimmte Fortbildungen für Lehrer verpflichtend werden. Es muss ja nicht jeder Lehrer zu einem solchen Kurs. Aber jede Schule sollte wenigstens einen oder zwei Lehrer fortbilden lassen. Dann gäbe es an jeder Schule einen Experten für das Thema, der auch anderen Kollegen zur Seite stehen könnte. Foto: Privat

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