Saarpfalz-Kreis. Prüfend fällt Dr. Otmar Scherrs Blick im Licht einer Lampe auf den 1874er Mouton Rothschild. "Man sieht sehr gut, dass der Wein inzwischen eine hellrote Farbe hat." Damit ist klar: Zum Trinken ist dieser Tropfen nicht mehr geeignet, "dieser Wein hat es hinter sich." Doch eben jene Flasche hat dem Sanddorfer Pathologen mit Praxis in Saarbrücken den Gewinn unseres Kreisrekords eingebracht, keine Abfüllung war älter. Die Flasche ist ein Geschenk seiner Frau, vor rund zwanzig Jahren erstanden bei einem Fachhändler in Berlin. Das ursprüngliche Etikett ist vergilbt und rissig, ein beigelegtes, neues gibt Auskunft über Herkunft und Abfülldatum. Für unsere Zeitung wickelt Scherr die Flasche aus einer schützenden Folie, eine Premiere. Der Dank: Das Gefühl, eine echte Geschichte in der Hand zu halten. Denn: Vergorener Traubensaft ist mehr als wohlschmeckender Alkohol, er ist Teil eines Lebensgefühls, weitaus persönlicher in seiner Ansprache als Bier, vielleicht vergleichbar mit einem guten Whiskey. Otmar Scherr ist ein echter Weinkenner. In den 1970er Jahren beginnt seine Leidenschaft für Weine, als Medizin-Student kommt der gebürtige Bayer und Biertrinker ins Saarland. Dort ist es einer seiner Professoren, der frühere Direktor der Pathologie am Homburger Universitätsklinikum, Professor Georg Dhom, der ihn zum Weinliebhaber macht. "Damals hatte ich eine Anstellung als Hilfsassistent. Da hat man dann rund 200 Mark im Monat verdient. Mit denen bin ich einmal im Monat nach Saargemünd gefahren und habe dort gute Weine gekauft." So beginnt eine Genuss- und Sammelleidenschaft. "Und noch heute liegen Flaschen aus dieser Zeit in meinem Keller." Scherrs Weine sind auch Teil der eigenen Geschichte. "Damals als Student habe ich oft gedacht, wie schön es sein wird, später einmal einen 20 Jahre alten Bordeaux aufzumachen, einfach so." Doch so manche Flasche blieb ungeöffnet, so manche gute Gelegenheit verstrich. Doch an der Leidenschaft Scherrs für gute Weine änderte das nichts. Mit den Jahren wird Scherr zum Weinkenner, liest viel, wird auch Teil der Weinszene in der Region.