Nawi-Vortrag im Audimax Gehirne machen keine Downloads

Zweibrücken · Prof. Manfred Spitzer, Direktor der psychiatrischen Uniklinik Ulm, Hirnforscher und bekannter Sachbuchautor sprach im vollbesetzten Audimax über die Risiken digitaler Medien.

 Prof. Manfred Spitzer vertrat im vollbesetzten Audimax der Hochschule in Zweibrücken die These, dass Smartphones dumm und krank machen.

Prof. Manfred Spitzer vertrat im vollbesetzten Audimax der Hochschule in Zweibrücken die These, dass Smartphones dumm und krank machen.

Foto: Susanne Lilischkis

Sie sind klein, flach und fast in jeder Hosentasche zu finden: Smartphones sind ein selbstverständlicher Bestandteil des Alltags geworden. Doch wie gefährlich sind die kleinen Helfer wirklich? Dieser Frage stellte sich Prof. Manfred Spitzer auf Einladung des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Zweibrücken. Im komplett besetzen Audimax an der Hochschule in Zweibrücken sprach der ärztliche Leiter der Psychiatrischen Uniklinik Ulm über die Gefahren der digitalen Geräte. Und die sind laut Spitzer vielfältig und reichen von Kurzsichtigkeit über Haltungsschäden, Diabetes, Bluthochdruck bis hin zu riskantem Sexualverhalten.

Zum Beweis seiner These, dass Smartphones dumm und krank machen, führte er eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien ins Feld. Schon jetzt würden in Korea junge Menschen verstärkt kurzsichtig, weil sie ständig auf ihr Telefon starren.

Die Gefahren der Smartphone-Nutzung würden verkannt und die zunehmende Digitalisierung des Alltags führe zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die Todesursache Nummer eins in Deutschland. „Das ist schlimmer als Lungenkrebs, was die Anzahl der Toten angeht“, bemerkte er, „und dann sagen die Leute: Seien Sie nicht so schwarz-weiß. Doch ich bin Arzt, wenn es wirklich um etwas geht, heißt die Antwort Ja oder Nein – so ist die Medizin. Klare Antworten auf klare Fragen.“

Doch nicht nur die Volksgesundheit sei in Gefahr – die Bildung steuere auf eine Katastrophe zu, wenn digitale Lernformen eingeführt würden. Er befürchtet eine weltweite Gleichschaltung, wenn die Software amerikanischer Internet-Giganten die Herrschaft im Klassenzimmer übernimmt. „Bildschirmmedien schon in der Grundschule sind schlecht für die Entwicklung“, prognostizierte er. Bewiesen sei ein Zusammenhang von Bildschirmnutzung und Aufmerksamkeitsstörungen, ebenso wie die Verlangsamung der kognitiven Entwicklung von Kindern, die auf Bildschirme starren. „In den USA tippen die Kinder auf dem Bildschirm, bevor sie laufen können“, sagte er und zeigte dem Publikum ein Töpfchen mit Tablet-Halter zur Bespaßung beim kleinen Geschäft.

„Kinder in diesem Alter können vor dem Bildschirm nichts lernen, sie müssen die Dinge in der Hand halten und begreifen, um sie zu verstehen“, führte er weiter aus. Das setze sich in der Schule fort. Die wichtigsten Schulfächer seien Sport, Musik und Theater und die fielen am meisten aus. Stattdessen setze die Bundesregierung mit dem Digitalpakt an Schulen auf Lernen mit Tablet und Computer.

Spitzer zeigte dem Publikum zahlreiche Studienergebnisse, aus denen klar wurde, dass in Ländern, in denen digitale Medien zur Unterstützung im Unterricht eingesetzt werden, die Leistungen sich verschlechtern. „Bei der Digitalisierung im Unterricht werden schwache Schüler noch schlechter und gute nicht besser, Digitalisierung ist in hohem Maße unsozial“, fuhr er fort.

Dass seine Thesen kontrovers diskutiert werden, machte der Referent an den Medien fest. Die würden all die Studien, die er an dem Abend dem Publikum präsentierte, verschweigen. Und auch renommierte wissenschaftliche Magazine blieben von seiner Kritik nicht verschont – da könne schon mal ein Geldkoffer den Besitzer wechseln, mit dem Ziel dass bestimmte Studien veröffentlicht würden.

Positive Einflüsse der Digitalisierung auf den Lernprozess konnte der Arzt und Buchautor nicht entdecken und Studien dazu gebe es nicht, betonte er im Laufe des Abends mehrfach. Und so zog er am Ende der Veranstaltung ein äußerst kulturpessimistisches Fazit, was die digitalen Medien angeht. Die Rückmeldungen einiger Lehrer im Publikum schienen ihm recht zu geben, einen Einlass über die positiven Resultate digitaler Medien in der Arbeit mit Behinderten ließ Spitzer nicht gelten. „Lassen Sie das wissenschaftlich überprüfen“, riet er dem Fragesteller.

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