Bei Gericht „hängen geblieben“

Zweibrücken · Das Oberlandesgericht Zweibrücken feiert in diesem Jahr sein 200-jähriges Bestehen. OLG-Präsident Willi Kestel ist nicht nur federführend in der Planung der Feierlichkeiten, sondern spricht auf einer Vortragsreise über die Geschichte des OLG und dessen Bedeutung. Bei der Wahl zwischen Rechtsanwalt und Richter entschied er sich für Letzteres. Sein offenes Berufsverständnis prägt das positive Miteinander von Anklage und Anwaltschaft wie auch seinen Umgang als Vorgesetzter. Merkur -Mitarbeiterin Cordula von Waldow unterhält sich mit dem 63-Jährigen über seine Aufgaben und Ansichten.

 OLG-Präsident Willi Kestel an seinem Schreibtisch. Foto: Cordula von Waldow

OLG-Präsident Willi Kestel an seinem Schreibtisch. Foto: Cordula von Waldow

Foto: Cordula von Waldow

Herr Kestel, welche Aufgaben erfüllt der OLG-Präsident, wenn er nicht gerade ein Jubiläum plant oder geschichtliche Vorträge hält?

Willi Kestel: Nun, Kraft des Gesetzes bin ich in die Rechtsprechung des OLG eingebunden, und zwar konkret als Vorsitzender des Beschwerdesenats, der zentral für Rheinland-Pfalz unter anderem Grundbuch- und registerrechtlichen Fragen zuständig ist. Daneben habe ich - überwiegend - administrative Aufgaben, und mir obliegt die Dienstaufsicht über die Justizangehörigen im Bezirk des Oberlandesgerichts, darunter alle 240 Richterinnen und Richter, allein 28 davon am Oberlandesgericht. Beförderungen, Abordnungen und Versetzungen werden im OLG vorbereitet und gemeinsam mit dem Ministerium und gegebenenfalls der Ministerpräsidentin verifiziert.

Das würde bedeuten, Sie sind neben der Rechtsprechung vor allem auch Personal-Chef.

Kestel: Eine Aufgabe, die mich mit großer Freude erfüllt. Ich kümmere mich um die Organisation, überprüfe Arbeitsabläufe und beziehe hierbei - außerhalb der Rechtsprechung - wirtschaftliche Betrachtungsweisen mit ein. Große Priorität genießt das Projekt "Beschleunigung erstinstanzlicher Zivilsachen an den Landgerichten", das gemeinsam mit Richterinnen und Richtern eine Stärkung und Intensivierung der mündlichen Verhandlung zum Ziel hat. Erste Erfahrungen belegen, dass sich nicht nur die Bearbeitungszeiten verkürzen, sondern auch Aktenbestände abgebaut werden. Das erwarten die Menschen schließlich zu Recht.

Ist das mit ein Grund, weshalb Sie in die Justiz gegangen und schließlich OLG-Präsident geworden sind?

Kestel: (lacht) Die juristische Ausbildung mit dem ersten Staatsexamen und zwei Jahre Berufspraxis im Referendariat führten mich in ganz unterschiedliche Bereiche. Nach dem zweiten Staatsexamen und einem "ganz ordentlichen" Abschluss gefielen mir wirklich beide Bereiche, Anwaltschaft und Justiz, sehr gut. Eine zeitlang plante ich tatsächlich, Anwalt zu werden, hatte bereits ein Angebot einer großen Kanzlei. Doch da war diese Freude an der Arbeit bei Gericht. Von dort aus ist ein Wechsel in eine Anwaltskanzlei deutlich einfacher als umgekehrt. Dabei hängen geblieben bin ich wirklich aus Überzeugung und Spaß an der Freude. Gut zwei Jahre im Ministerium lehrten mich, was ein Ministerium tun muss, um eine gerechte und gut funktionierende Justiz zu gewährleisten. Welche Aufgaben stellen sich, um der dritten Gewalt im Staate Geltung zu verschaffen? Als Personalreferent am Oberlandesgericht widmete ich mich schon immer auch menschlichen und dienstrechtlichen Problemen im gerichtlichen Alltag, was ich sowohl in den rund vierzehn Jahren als Gerichtspräsident in Kaiserslautern und Mainz wie auch seit 2009 als OLG-Präsident mit Herzblut umsetze.

Ich habe gehört, dass Sie sich auch für ein gutes Betriebsklima engagieren.

Kestel: Mir ist ganz wichtig, dass unsere Leute gerne hierher zur Arbeit kommen, ganz gleich, in welcher Position. Unserem OLG-Chor beispielsweise, der auch beim Festakt zur 200-Jahr-Feier auftreten wird, gehören Damen und Herren quer durch alle Hierarchien von Staatsanwaltschaft und Gericht an. Das fördert die Gemeinschaft und baut Standesdünkel singenderweise ab. Gemeinsame Chortreffen fördern Kontakte weit über den Standort hinaus. Außerdem haben wir eine eigene Fastnachts-Gruppe mit mehr als zehn Aktiven, die jedes Jahr bei der Justizfastnacht in Mainz auftritt.

Auch die Feierlichkeiten zum 200-Jährigen sind mit einem Tag der offenen Tür, einem Theaterstück, einem Bürgerfest und einer Jubiläumsausstellung im Zweibrücker Stadtmuseum sehr bürgernah geplant.

Kestel: Ich wünsche mir, dass dadurch die Justiz so wahrgenommen wird, wie sie es verdient. Die in Deutschland über Jahrhunderte erkämpfte Rechtsstaatlichkeit ist eine unglaublich wichtige zivilisatorische Errungenschaft, die sich in einem modernen Justizverständnis widerspiegelt. Streitereien vor Gericht finden stets sachlich und auf Augenhöhe statt, um auf der Grundlage unserer Gesetze das beste Ergebnis zu erzielen, unter Achtung und Respekt vor dem anderen. Urteile sind transparent und nachvollziehbar begründet. Der Grundstein für dieses moderne Justiz- und Rechtsverständnis wurde in der Gründungszeit des OLG gelegt.

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