Steuerdebatte füllt bei der Union das Sommerloch

Berlin · Angela Merkel hat Nein gesagt zu Steuersenkungen, egal welcher Art. Das hält die Mittelstandspolitiker der Union nicht davon ab, den Abbau der kalten Progression zu fordern. Die SPD hat derweil ihre eigene Steuerdebatte.

Kaum ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Angela Merkels letzte Ansage vor dem Urlaub war, dass es derzeit "keine Spielräume" für Steuersenkungen gebe, "auch nicht im Bereich des Abbaus der kalten Progression". Trotzdem drängen Mittelstandspolitiker der Union mit der gegenteiligen Forderung jetzt massiv an die Öffentlichkeit. Zu allem Überfluss gibt es auch in der SPD eine Steuerdebatte, dort um die Erbschaftssteuer. Die Koalition hat so ihr zweites Sommerlochthema neben der Pkw-Maut.

Der Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung von CDU und CSU , Carsten Linnemann (CDU ), betonte gestern: "Wenn die Union sagt, dass es keine Steuererhöhung geben darf, dann darf es auch keine heimliche geben. Also brauchen wir den Abbau der kalten Progression." Hintergrund: An jedem Gehaltsplus verdient der Staat kräftig mit, weil die Arbeitnehmer dann in höhere Besteuerungsstufen geraten. Insgesamt sollen es 55,8 Milliarden Euro in dieser Legislaturperiode sein, wie CSU-Mittelstandspolitiker Hans Michelbach errechnet hat. Das Finanzministerium beziffert den Effekt allerdings nur auf 28 Milliarden in vier Jahren. Der abgestimmte Vorschlag der Mittelstandspolitiker in CDU und CSU verlangt, dass die Steuerstufen regelmäßig mit der Inflation angehoben werden müssen.

Bei der SPD hatte Parteivize Ralf Stegner am Mittwoch eine neue Steuerdebatte ausgelöst, als er verlangte, die Erbschaftssteuer müsse kräftig angehoben werden. Andere Vertreter des linken Parteiflügels wie Thorsten Schäfer-Gümbel, ebenfalls Parteivize, assistierten. Zwar wolle man erst das für den Herbst erwartete Verfassungsgerichtsurteil über die Steuer abwarten, doch dann werde es Zeit. "Die Konservativen müssen dann aus ihrer bisherigen Verweigerungshaltung heraus."

Denkbar ist nun, dass beide Debatten verknüpft werden. Etwa drei Milliarden Euro jährlich würde eine Reform der kalten Progression kosten, wenn sie nicht rückwirkend gilt. Ungefähr die Hälfte fällt bei den Ländern an. Da sie die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer komplett behalten, könnten leichte Erhöhungen hier die Verluste bei der kalten Progression ausgleichen. Der Bund wiederum braucht einen solchen Ausgleich nicht, er hat dank sprudelnder Einnahmen genügend Spielraum. In der Steuerdebatte blockieren sich die Parteien der großen Koalition gegenseitig. Steuersenkungen stehen gegen Steuererhöhungen. Dabei kann man das eine tun - und muss das andere nicht lassen. Wenn die mittleren Familieneinkommen durch die Beseitigung der kalten Progression und durch niedrigere Sozialabgaben entlastet würden, wäre das ein richtiger Impuls für die Konjunktur. Gleichzeitig kann man das für Investitionen fehlende Geld bei den reichen Erben wieder hereinholen. Unter dem Strich könnte die Union dann sagen, mit ihr habe es wie versprochen keine Erhöhung der Steuerlast gegeben. Und die SPD hätte mehr Steuergerechtigkeit durchgesetzt. Gewonnen hätte nur einer: das Land.

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