Empörung über Barrosos Job bei Goldman Sachs

Brüssel · Darf ein ehemaliger Kommissionspräsident, der die EU durch die Schuldenkrise manövrierte, zweieinhalb Jahre später zu einer Investmentbank wechseln? Diese Frage muss sich José Manuel Barroso nun gefallen lassen. Sein Nachfolger Jean-Claude Juncker hat ihm bereits den freien Zutritt zur EU-Behörde verboten.

Eigentlich hat sich José Manuel Barroso nichts vorzuwerfen. Nach seinem Abschied vom Job des Kommissionspräsidenten (2004 bis 2014) wartete er 20 Monate ab, ehe er bei einem neuen Arbeitgeber anfing. Doch der hat es in sich: die Investmentbank Goldman Sachs . Er sei "Berater" und "Präsident ohne Geschäftsbereich" teilte das Unternehmen im Juli mit. Goldman Sachs - da war doch was?

Das Haus dient sich gerne Regierungen mit monetären Problemen an. Griechenland zum Beispiel. Ein feiner Job für den früheren portugiesischen Regierungschef, der dabei sein in zehn Jahren gewachsenes Netzwerk weidlich nutzen könnte. Doch Brüssel kommt nicht zur Ruhe. Der Höhepunkt war am Wochenende erreicht, als Barrosos Nachfolger Jean-Claude Juncker offiziell mitteilte: "Präsident Barroso wird nicht mehr als ehemaliger Kommissionschef behandelt, sondern als normaler Interessenvertreter." Der 60-Jährige darf das Berlaymont, wo die EU-Kommission ihren Sitz hat, nicht mehr einfach betreten, sondern muss sich anmelden und in Begleitung eines Mitarbeiters zu seinem Gesprächspartner gebracht werden. Außerdem wird notiert, mit wem Barroso konferierte. "Die Entscheidung Junckers ist richtig", sagte der Chef der CDU-Abgeordneten im EU-Parlament, Herbert Reul . "Wer den Job eines Lobbyisten macht, muss sich auch an den Maßstäben eines Lobbyisten messen lassen." "Barroso ist nicht mehr in der honorigen Position eines Kommissars", unterstrich auch Udo Bullmann, der Vorsitzende der SPD-Abgeordneten im Parlament.

Darf sich ein Mann wie Barroso, der die EU durch die Schuldenkrise schleuste, ausgerechnet bei einer Investmentbank eine goldene Nase verdienen, die am griechischen Desaster nicht ganz unschuldig war? Inzwischen haben 75 000 EU-Bürger eine Petition unterschrieben, in der Barrosos Engagement als "moralisch verwerfliches Verhalten" und "desaströses Symbol" für die EU bezeichnet wird. "Die Kritik ist unfair", sagt der Vizepräsident des EU-Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff . "Barroso hat alle Regeln eingehalten."

Immer wieder mussten sich ehemalige Kommissare Fragen nach ihren neuen beruflichen Tätigkeiten gefallen lassen. So zum Beispiel die Ex-Justizkommissarin, Viviane Reding , die heute als Abgeordnete im Parlament das Dienstleistungsabkommen TiSA betreut. Gleichzeitig nahm sie auch einen Ruf ins Kuratorium der Bertelsmann-Stiftung an, die ein Ableger des Bertelsmann-Konzerns ist, wo man an TiSA größtes Interesse hat.

Barroso könnte Probleme bekommen. Juncker hat das Ethik-Komitee seiner Behörde eingeschaltet. Ob das allerdings einen Ansatzpunkt für Kritik findet, ist zu bezweifeln.

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