Zerstörtes Vertrauen und jede Menge Fettnäpfe

Saarbrücken · Reinhard Grindel ist neuerdings einer der einflussreichsten Sportfunktionäre der Welt. Doch wer kennt den gestern gewählten Präsidenten des Deutschen Fußballbundes (DFB) wirklich? Zumindest für die Öffentlichkeit ist er ein nahezu unbeschriebenes Blatt.

Grindel ist keine Fußball-Legende und auch keiner, der wie sein unrühmlich abgetretener Vorgänger Wolfgang Niersbach weiß, wer in der 72. Minute des WM-Viertelfinales 1978 im Abseits stand.

Der 54-Jährige ist auch (noch) kein Netzwerker im Weltfußball. Könnte aber klappen, schließlich ist er Politiker. Der Journalist und frühere Hauptstadt-Korrespondent des ZDF sitzt seit 2002 für die CDU im Bundestag. Seine bisher aufsehenerregendste Aktion im Parlament datiert vom 1. September 2014. Damals wurde das Gesetz zur Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung beraten. 582 Abgeordnete stimmten zu, drei waren dagegen, sieben enthielten sich. Einer davon: Reinhard Grindel.

Sein Mandat will der Niedersachse dieses Jahr aufgeben. Doch bis gestern redete der zwölfte DFB-Präsident munter im Sportausschuss des Bundestags mit, obwohl er seit 2013 schon Schatzmeister des Verbands war. Ob Grindel im Ausschuss wirklich seine Wähler vertrat oder doch eher als Lobbyist des DFB tätig war - diese Frage lässt sich kaum beantworten.

Transparenz war bisher eh nie die Stärke des weltgrößten Sportverbands, das zeigt die Affäre um die WM-Vergabe. Mit Grindel soll das anders werden. Eine Stabsstelle für Compliance (Regeltreue) will der 54-Jährige einrichten und eine Ethikkommission wie bei der Fifa. Finanzberichte sollen offengelegt, die Aufarbeitung des WM-Skandals soll fortgesetzt werden. Und die Geschäfte werden künftig von Profis geführt. Grundsätzlich ist da viel Positives dabei, aber nichts, was das Verhältnis zwischen DFB und der deutschen Fußballliga (DFL ) entspannt. Als die Landesverbände im vergangenen Jahr vorpreschten und Grindel als ihren Mann für die Nachfolge von Niersbach präsentierten, fühlte sich die Liga übergangen. So ließ DFL-Chef Reinhard Rauball bereits sinngemäß anklingen: Lieber Grindel, nur wenn du brav die Interessen der Proficlubs berücksichtigst, hast du im kommenden November unsere Unterstützung, wenn es um deine Wiederwahl geht.

Auch deshalb will Grindel einen "neuen DFB bauen". Die Liga sieht es nämlich derzeit eher so, dass sie mit ihren TV-Einnahmen die Finanzierung der Basis sichert. 2017 läuft der Vertrag zwischen Verband und Liga über die Geldflüsse aus - ein gutes Druckmittel für die DFL . Grindel muss ihr deshalb den einen oder anderen Gefallen tun. Zum Beispiel den DFB-Pokal reformieren. Die Liga will, dass ihre Europapokal-Teilnehmer in der ersten Runde nicht ran müssen. Doch die Amateure befürchten dann Zuschauer-Einbußen. Grindel kündigte zwar eine Pokalreform an. Wie die aussehen soll, ließ er aber offen. Die Liga will auch, dass Montag immer Spieltag ist. Dann könne sich der Profifußball besser vermarkten und höhere TV-Gelder fordern. Doch den Fans passt das nicht. Ihre Vertreter haben sich ohnehin im Herbst geschlossen aus der Arbeitsgemeinschaft Fanbelange des DFB zurückgezogen. Grund: Der Verband habe ihnen eh nicht zugehört.

Übrigens: Die EM 2024 soll Grindel auch noch nach Deutschland holen. Sauber selbstverständlich, ohne Bestechungsgeld. Wenn er das alles geschafft hat, kennt ihn in Deutschland jeder.

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