Platte Parolen

Mit seinem forschen Vorstoß, in Deutschland straffällig gewordene Asylbewerber in ihrer Heimat hinter Schloss und Riegel zu bringen, erinnert Sigmar Gabriel ein bisschen an sein polterndes Vorbild aus der sozialdemokratischen Kanzler-Ära: "Wegschließen, und zwar für immer", hatte der frühere Regierungschef Gerhard Schröder schon 2001 mit Blick auf Sexualstraftäter festgestellt.

Beides klingt so wunderbar einfach, weshalb man sich damit der Zustimmung breiter Bevölkerungsteile sicher sein kann. Das Problem ist nur: Die Welt ist nicht schwarz-weiß. Das gilt auch für die Flüchtlingsdebatte.

So falsch es von Polizei und wohl auch Stadtverwaltung war, die Beteiligung von Asylbewerbern an den widerlichen Übergriffen in Köln zunächst zu verschweigen, so unsinnig ist der Versuch vorzugaukeln, das Problem ließe sich politisch quasi mit der Dampfwalze platt machen. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an den Fall Mehmet: Auf das Konto des jugendlichen Straftäters mit türkischem Pass gingen in Deutschland nicht weniger als 60 Delikte, vom Diebstahl bis zu Körperverletzung und Erpressung. Trotzdem glich die Abschiebung in sein Heimatland einer juristischen Odyssee, auch weil die Eltern schon seit mehr als drei Jahrzehnten in Bayern lebten. Sie wurde sogar für rechtswidrig erklärt. Sicher, das ist ein Ex trembeispiel. Aber es illustriert, dass die Rechnung "Ausländer plus kriminell gleich Abmarsch" eben oft nicht aufgeht.

Häufig steht dem die Genfer Flüchtlingskonvention entgegen, wonach niemand in ein Land ausgewiesen werden kann, in dem Verfolgung droht. In Syrien zum Beispiel drohen sogar Mord und Totschlag. Da klingt es schon sehr zynisch, Straffällige in dortige Gefängnisse überstellen zu wollen. Ein Freifahrtschein für syrische Asylbewerber ist das allerdings mitnichten. Wer von ihnen in Deutschland straffällig wird, den muss die volle Härte deutscher Strafgesetze treffen. Um den juristischen Ermessensspielraum einzuengen, dürfen auch gesetzliche Korrekturen kein Tabu sein.

Worauf es aber wirklich ankommt, ist zunächst genügend Polizei , damit rechtsfreie Räume gar nicht erst entstehen. Zugleich müssen unsere demokratischen Wertvorstellungen umfassend und vor allem zügig vermittelt werden. Damit Flüchtlinge aus anderen Kulturkreisen begreifen, dass die Gleichberechtigung der Geschlechter zu den deutschen Spielregeln gehört. Übrigens auch in den Flüchtlingsunterkünften selbst. Schon dort braucht es viel mehr geschultes Personal, um solchen Selbstverständlichkeiten zum Durchbruch zu verhelfen. All das wird aber kaum zu schaffen sein, wenn der Flüchtlingsstrom nach Deutschland nicht reduziert wird. Das sind die echten Kernfragen. Schnellschuss-Debatten über schärfere Strafen dürfen davon nicht ablenken.

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