Brandstifter Kim

Diktator Kim Jong-un macht die Welt wieder etwas unsicherer. Es reicht dem Nordkoreaner nicht, in Fortsetzung der Familientradition eine Atombombe testen zu lassen. Er legt nun mit der Behauptung nach, im Besitz der wesentlich stärkeren Wasserstoffbombe zu sein.

Zugleich lässt er mit Hochdruck am Bau von Raketen forschen, die solche Waffen einmal in die Hauptstädte der Nachbarländer tragen könnten - oder sogar auf das Gebiet des Erzfeindes USA. Die Behauptung, schon eine Wasserstoffbombe zu besitzen, wird sich zwar fast sicher als Angeberei erweisen. Doch die Ambitionen des jungen Machthabers sind eindeutig.

In fast allen Ländern gewinnen die Scharfmacher an Einfluss, und jede neue Bedrohung verstärkt das Gefühl der Verletzlichkeit. Eine Wasserstoffbombe in Verbindung mit einer Mittelstreckenrakete würde die Millionen städte Peking und Tokio zu Kims Geiseln machen. Also die Zentren der zweit- und der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt, die für das Funktionieren der Weltwirtschaft unersetzlich sind. Die Regierungen beider Länder ver fügen zudem ihrerseits über zwei der stärksten Armeen auf dem Planeten. Japans Regierungschef ließ sich erst kürzlich vom Parlament die Befugnis geben, konkreten Bedrohungen auch mit vorbeugenden Einsätzen begegnen zu können. Kurz: In der Region wächst die Gefahr eines unübersichtlichen Konflikts.

Dass er Unfrieden in der gesamten Region stiftet, stört Kim aber wenig. Bedenklich ist dabei, dass sich auch der einstige Verbündete China von ihm abwendet. Damit schwindet der Einfluss der Vernunft in Pjöngjang weiter. Das Szenario eines Zusammenbruchs des Regimes bleibt allerdings unwahrscheinlich. Zum einen ist es Kim durch vorsichtige Wirtschaftsreformen gelungen, die Produktion merklich zu steigern. Zugleich sind die Nordkoreaner so ahnungslos wie eh und je. "West-Fernsehen" oder ähnliche Informationsquellen gibt es nicht, dafür pausenlose Aufmärsche, patriotische Lieder und die immer gleiche Botschaft vom gottgleichen Kim, dem Beschützer des Landes. Sämtliche Kritiker ließ er in brutaler und skrupelloser Weise ermorden oder wegsperren.

Eine Entspannung der politischen Lage in Ostasien ist damit weiter entfernt als je zuvor. Die Rivalität zwischen Japan und China schwelt weiter, während die übrigen Länder der Region den Vormacht-Anspruch Pekings mit Misstrauen betrachten. Eine Eskalation ist an keiner dieser Fronten ausgeschlossen. Im Großraum Europa herrschen Krieg, Vertreibung und politische Uneinigkeit, die USA irritieren durch einen populistischen Wahlkampf - und im an sich optimistischen Ostasien flammen politische Brandherde auf. Für das Jahr 2016 lässt sich lediglich auf mehr Besonnenheit der Verantwortlichen hoffen.

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