Koalition am Gefrierpunkt

Bis eben noch schienen alle Akteure der großen Koalition ins Gelingen verliebt zu sein. Bei der Klausur in Meseberg war man sich vor kurzem auch persönlich näher gekommen.

Und spätestens als die ersten Gesetzentwürfe und Eckpunkt-Papiere auf die politische Reise geschickt wurden, herrschte eine Art Aufbruchstimmung. Ja, es hätte ein harmonischer Start für Schwarz-Rot werden können - so ganz nach dem Geschmack der Kanzlerin, die sich in der Moderatoren-Rolle gefällt. Doch nun geht das schwarz-gelbe Gespenst um.

Dass ein Bundesminister von seiner Vergangenheit an der Spitze eines anderen Ressorts eingeholt wird und zurücktritt, erinnert fatal an die ersten Wochen der christlich-liberalen Vorgängerregierung. Auch damals musste ein Minister weichen: Nur 30 Tage nach seiner Vereidigung stellte Franz Josef Jung sein Amt zur Verfügung. Wenig später machte Schwarz-Gelb dann schon mit "Wildsäue" und "Gurkentruppe" von sich reden. Nun muss sich Geschichte zwar nicht unbedingt wiederholen. Fest steht jedoch, dass die Dimension des aktuellen Falls ungleich größer ist als damals. Denn mit Sigmar Gabriel, Thomas Oppermann und Frank-Walter Steinmeier steht praktisch die komplette SPD-Elite im Zweilicht der Edathy-Affäre. Über diese drei ist letztlich ein CSU-Minister gestolpert. Auch wenn die Union Hans-Peter Friedrich scheinbar fallen ließ wie eine heiße Kartoffel - dass sie hier am Ende eine Getriebene des roten Partners war, dürfte Spuren hinterlassen. Im schlimmsten Fall sogar bleibende, die sich nachhaltig negativ auf die Regierungsqualität auswirken.

Es ist ja nicht so, dass Union und SPD ihren Koalitionsvertrag nur noch ins Gesetzblatt schreiben müssten. Bei der Energiewende zum Beispiel rumort es schon jetzt vernehmlich. Auch die Neuregelung zur doppelten Staatsbürgerschaft ist noch längst nicht in trockenen Tüchern. Und beim Mindestlohn lauert ebenfalls manches Problem, das sich schnell zur schier unüberwindbaren Hürde aufbauen kann. In dieser Situation wären Verlässlichkeit und Vertrauen ein gutes Schmiermittel. Eigenschaften, ohne die kollektive Entscheidungen kaum funktionieren können. Doch woher sollen sie kommen, wenn sich der eine vom anderen hintergangen fühlt?

Und dann ist da noch der Fall Edathy selbst. Bislang waschen Oppermann & Co. ihre Hände Unschuld. Doch sollte sich herausstellen, dass Edathy aus der SPD vielleicht doch einen Tipp wegen möglicher Ermittlungen bekam, müssten auch die Genossen politische Konsequenzen ziehen. Man kann sich leicht ausmalen, dass viele in der Union darüber nicht traurig wären. Das Klima in der großen Koalition könnte so allerdings auf den Gefrierpunkt sinken. Und besseres Wetter ist nicht in Sicht.

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