Diplomatische Eiszeit wegen eines Fischkutters

Peking. China spricht nicht mehr mit Japan. Im Streit um die Verhaftung eines chinesischen Kapitäns brach die Volksrepublik jetzt alle hochrangigen Regierungskontakte ab. Ein japanisches Gericht hatte zuvor entschieden, Zhan Qixiong, dessen Fischkutter am 7. September in umstrittenen Gewässern mit zwei Schiffen der japanischen Küstenwache kollidiert war, weiter festzuhalten

Peking. China spricht nicht mehr mit Japan. Im Streit um die Verhaftung eines chinesischen Kapitäns brach die Volksrepublik jetzt alle hochrangigen Regierungskontakte ab. Ein japanisches Gericht hatte zuvor entschieden, Zhan Qixiong, dessen Fischkutter am 7. September in umstrittenen Gewässern mit zwei Schiffen der japanischen Küstenwache kollidiert war, weiter festzuhalten. Seit gestern herrscht deshalb diplomatische Eiszeit zwischen der zweit- und der drittgrößten Wirtschaftsmacht. Alle Gespräche auf Minister- und Provinzebene sowie mehrere bilaterale Treffen würden abgesagt, meldete das chinesische Staatsfernsehen. Das Datum für den Kontaktabbruch wählte Peking mit Bedacht: Gestern war der 79. Jahrestag der japanischen Invasions-Offensive in China. Die propagandistische Vorgabe für die chinesischen Medien ist unmissverständlich. Sie dürfen die Festnahme des Kapitäns ins Licht der japanischen Weltkriegs-Aggression rücken und die ganze Klaviatur anti-japanischer Ressentiments nutzen. Ein heikles Spiel: 2005 hatte es in China aus Protest gegen japanische Schulbücher, in denen die Gräueltaten der kaiserlichen Armee weitgehend verschwiegen werden, gewalttätige Ausschreitungen und Aufrufe zum Boykott japanischer Waren gegeben. In Peking scheint man zu hoffen, dass japanische Wirtschaftsverbände, für deren Mitglieder China ein Schlüsselmarkt ist, ihre Regierung zum Einlenken drängen. "China fordert die sofortige Freilassung des Kapitäns ohne Vorbedingungen", insistierte das Außenministerium in Peking. Sollte Tokio nicht nachgeben, werde man "starke Gegenmaßnahmen" ergreifen. Japan rief seinerseits zur Besonnenheit auf. Über eine Anklage werde nach japanischem Gesetz und "nicht auf der Basis von politischer Absicht" entschieden, sagte ein Sprecher von Premierminister Naoto Kan. Japans Küstenwache wirft dem chinesischen Kapitän vor, ihre Schiffe absichtlich gerammt zu haben. Ob Anklage erhoben wird, muss bis zum 29. September entschieden werden. Die 14 Besatzungsmitglieder wurden bereits freigelassen, der Kutter an China zurückgegeben.In dem Streit geht es um weitaus mehr als um das Schicksal des Kapitäns. China sieht seine territorialen Ansprüche im Ostchinesischen Meer bedroht. Seit Jahren schwelt der Konflikt um eine Inselgruppe, die auf Japanisch Senkaku und auf Chinesisch Diaoyu heißt und in deren Umgebung reiche Gas- und Ölvorkommen liegen. Die Frage territorialer Unversehrtheit ist auf beiden Seiten politisch hoch aufgeladen. Und für Peking sind die Inseln im Ostchinesischen Meer nicht der einzige regionale Konfliktherd: Im Südchinesischen Meer spitzt sich der Streit mit Vietnam, Malaysia und Brunei zu. China versucht, mit einer starken Aufrüstung seiner Marine Präsenz zu zeigen, ruft damit aber zunehmend Ängste vor militärischen Expansionsbestrebungen hervor. Ende Juli schalteten sich die USA in den Konflikt ein und erklärten die Aufrechterhaltung der Stabilität im Südchinesischen Meer zu einem amerikanischen Schlüssel-Interesse - aus Sicht Pekings ein empfindlicher Rückschlag. Der Kapitäns-Konflikt könnte auch die New Yorker Uno-Konferenz zur Armutsbekämpfung überschatten, an der Chinas Premier Wen Jiabao und Japans Regierungschef Kan teilnehmen. Um weiteren diplomatischen Druck aufzubauen, könnte China zudem die Teilnahme von Präsident Hu Jintao am Asien-Pazifik-Gipfel im November in Yokohama zur Disposition stellen.

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