Der Mensch als App

Meinung · Google Street View ist dabei, alle Straßen und Gebäude ins Netz zu stellen. Die meisten Menschen haben Handys, die per Internet ständig mit Google oder anderen Anbietern verbunden sind. Die auch ständig ihren Standort mitteilen. Fast jeder Bundesbürger hat darüber hinaus hunderte, wenn nicht tausende Spuren im Internet hinterlassen

Google Street View ist dabei, alle Straßen und Gebäude ins Netz zu stellen. Die meisten Menschen haben Handys, die per Internet ständig mit Google oder anderen Anbietern verbunden sind. Die auch ständig ihren Standort mitteilen. Fast jeder Bundesbürger hat darüber hinaus hunderte, wenn nicht tausende Spuren im Internet hinterlassen. Fotos vom Vereinsjubiläum, die Liste der Teilnehmer des jüngsten Stadtlaufs, Texte und Dokumente von Schulen, Universitäten, Arbeitsstätten und Verwaltungen. Es gibt kaum ein dümmeres Argument gegen eine gesetzliche Regelung als den Satz, es gehe doch ausnahmslos um öffentlich zugängliche Informationen. Eine Hausfassade etwa oder das Auto vor der Garage. Das stimmt zwar, aber wenn man all diese harmlosen Informationen miteinander verknüpft, wird daraus eben eine neue Qualität. Es gibt schon Handy-Programme, so genannte Apps, die Musikstücke erkennen und sofort den Titel nennen. Demnächst geht das auch mit Häusern. Dann muss man die Handy-Kamera nur hier und da hin halten, und schon sprudelt es: Wer dort wohnt, welche Hobbys er hat, welches Auto er fährt und so weiter. Sogar, wo sich der Bewohner gerade aufhält. Möglicherweise wird das nicht jeder Handy-Benutzer können. Die großen Anbieter aber ganz sicher. Allen voran Google. Das ist dann mehr als ein Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung - das ist das Ende der informationellen Selbstbestimmung. Dann sind wir nicht mehr weit weg vom gläsernen Menschen. Eine beängstigende Vorstellung.Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist auf dem richtigen Weg: Nötig ist nicht nur eine Regelung für Google Street View. Die allerdings auch. Sie muss zum Beispiel sicherstellen, dass niemandes Haus gegen den Willen des Eigentümers im Netz gezeigt werden darf. Doch Einzelfallgesetze gegen jede neue technische Entwicklung werden nicht wirklich helfen. Und freiwillige Appelle, wie sie der Innenminister gestern losließ, auch nicht. Seit wann gibt der Hund die Wurst von sich aus her, seit wann Google seine Daten? Nötig ist es, den Menschen verbriefte, also gesetzliche Datenschutzrechte auch im Internet zu gewähren. Die es ihnen zum Beispiel ermöglichen, bei den großen Anbietern und Datenhändlern sämtliche Informationen über sich selbst sperren und vernichten zu lassen. Mit Staatszensur wie in China hat ein solches Gesetz übrigens nichts zu tun, das ist das zweitdümmste Argument. Denn hierzulande bestimmt noch immer das frei gewählte Parlament, wie wir leben wollen. Nicht Diktatoren, aber auch nicht der Selbstlauf der Technik.

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