Im Umgang mit der Schuld tun sich die Bischöfe schwer

Fulda/Trier. Der Skandal um sexuellen Missbrauch unter dem Dach der katholischen Kirche verfolgt die deutschen Bischöfe weiter. Zwar stellte der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, Ende August verschärfte Leitlinien vor, die solche Übergriffe künftig verhindern sollen

Fulda/Trier. Der Skandal um sexuellen Missbrauch unter dem Dach der katholischen Kirche verfolgt die deutschen Bischöfe weiter. Zwar stellte der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, Ende August verschärfte Leitlinien vor, die solche Übergriffe künftig verhindern sollen. Und Kosten für therapeutische Hilfen werden bereits von der Kirche beglichen. Doch die Frage finanzieller Entschädigungen für Opfer steht weiter im Raum. Vor ihrer traditionellen Herbst-Vollversammlung, die am Montag in Fulda beginnt, lehnte die Bischofskonferenz jeglichen Kommentar dazu ab. Begründung: Man wolle den Beratungen nicht vorgreifen. Das Thema Missbrauch steht neben der Frage der Kirchenfinanzierung und der Haltung der Oberhirten zu einem freiwilligen Zivildienst im Mittelpunkt der Tagung. Klare Position bezieht derweil die Reformbewegung "Wir sind Kirche". Sie fordert finanzielle Entschädigungen für Opfer, die von Geistlichen oder Kirchenmitarbeitern gepeinigt wurden. Die Bischöfe "sperren sich bei diesem Thema", kritisiert Christian Weisner vom Bundes-Team des Verbands. Doch bei dem mit Spannung erwarteten Treffen in Fulda dürfe man sich nicht weiter um die Entschädigungsfrage "herummogeln". Weisner hat eine Erklärung für die Zurückhaltung der Kirchenoberen parat: "Man muss viel Geld in die Hand nehmen, deswegen zieren sich die Bischöfe. Das Geld fließt auch in der katholischen Kirche nicht in Strömen." Inzwischen ist die Bischofskonferenz aus seiner Sicht jedoch unter Zugzwang geraten, denn auch der Jesuitenorden in Deutschland stellte diese Woche Entschädigungen für Opfer sexueller Gewalt in Aussicht.Allerdings türmen sich bei dieser Frage viele Probleme auf: Wie leistet man den Versuch einer Wiedergutmachung? Per Pauschalsumme? Einem Betrag zwischen 5000 und 10 000 Euro, wie es die Opferschutz-Organisation Weißer Ring erwartet? Oder wer sollte festlegen, wie viel Geld für welche Schwere des Missbrauchs fließt? Und die moralische Crux: Kann man sich aus einer solchen Schuld herauskaufen? Zu alledem herrscht auf Seiten der Bischofskonferenz Schweigen vor der Zusammenkunft in Fulda. Der zuständige Bischof Ackermann gibt im Vorfeld kein Interview zu dem heiklen Thema. Und der Vorsitzende des Gremiums, Freiburgs Erzbischof Robert Zollitsch, wird erst am Donnerstag Stellung nehmen zu den Beratungen über den Umgang mit sexuellem Missbrauch von Minderjährigen."Wir sind Kirche" fürchtet bereits, dass die neuen Leitlinien zu lasch sein könnten. "Das ist ein Fortschritt mit Einschränkungen. Das Problembewusstsein in den Bistümern ist sehr unterschiedlich ausgeprägt", sagt Weisner. Die Maßnahmen reichten bei weitem nicht aus, um den unermesslichen Vertrauensschaden zu beheben, den die jahrzehntelang praktizierte Vertuschung sexualisierter Gewalt für die Kirche verursacht habe. Auch über den Missbrauchs-Skandal hinaus sieht die Reformbewegung die katholische Kirche in Deutschland in einer "tiefen Krise". Der Mitgliederschwund, gesunkene Steuereinnahmen, der Priestermangel, das Zölibat, die Rolle der Frau in einer modernen katholischen Kirche - alles Probleme, die aus Weisners Sicht dringend gelöst werden müssen. Die Not sei groß. Doch statt wirkungsvoller Maßnahmen sieht er nur ein "Weiterwurschteln der Bischöfe hinter verschlossenen Türen".

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