Die UN – ineffizient, aber seit 70 Jahren unverzichtbar

New York · Man kann nicht sagen, die Vereinten Nationen würden das Unheil nicht sehen, in das sie steuern. "Reformen " ist vielleicht das meistgehörte Wort auf den Fluren am East River in New York , gleich nach "Veto".

Heute vor 70 Jahren, am 26. Juni 1945, wurden die United Nations (UN) mit der Verabschiedung ihrer Charta gegründet. Im Gegensatz zum Völkerbund der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg haben die UN die Jahrzehnte überstanden. Und zum Teil ist genau das das Problem.

Jedes Land, egal wie reich oder arm, mächtig oder desolat, demokratisch oder autokratisch, hat in der UN-Vollversammlung eine Stimme. Doch das Gremium, das an ein Parlament erinnert, kann so viele Resolutionen verabschieden, wie es will, bindend ist keine. Die USA treiben noch immer kaum Handel mit Kuba, die Israelis erkennen Palästina nicht an, die Russen halten weiter die Krim besetzt und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zerstört weiter antike Kunstwerke.

Die Macht liegt im Sicherheitsrat und die bestimmenden Staaten heißen USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich. Indien? Nigeria? Brasilien? Südafrika? Japan und Deutschland? Keine Spur. In den UN spiegelt sich die Welt des Jahres 1945. Und für eine Reform müssten genau die ihre Macht abgeben, die mit einem Veto alles verhindern können.

"Wir müssen festhalten, dass die Vetomacht die Effizienz der Vereinten Nationen begrenzt", sagt ihr Vize-Generalsekretär Jan Eliasson. "Die Möglichkeit des Vetos hat die UN davon abgehalten, wirkungsvoll auf die Situation in Syrien oder der Ukraine zu reagieren."

Auch wenn viele Staaten eine Reform des Sicherheitsrats wollen - ihn einfach größer zu machen und auch Brasilien, Indien und Deutschland mit Vetorecht auszustatten, würde die Probleme nur verschärfen. Andere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Aber selbst der französische Vorstoß, dass die fünf ständigen Mitglieder in Fragen von Menschenrechtsverstößen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit freiwillig auf ihr Veto verzichten, fand kaum Gehör. Aus Moskau und Peking kam keine Antwort. Allerdings: Wären die UN so unwichtig, hätte sich der damalige US-Präsident George W. Bush 2003 hier nicht um eine Legitimation für seinen Irak-Krieg bemüht. Und würde ihnen nicht so viel daran liegen, würden die Russen im Sicherheitsrat keine PR-Offensiven zur Ukraine starten.

Ineffizient, aber unverzichtbar - die Vereinten Nationen haben nicht nur 70 Jahre lang der Ersten und Zweiten Welt eine Verhandlungsbasis gegeben. Sie haben auch dazu beigetragen, dass sich das Leben von Milliarden Menschen in der Dritten Welt dramatisch verbessert hat. Die Zahl der Menschen, die in extremer Armut leben, wurde seit 2000 halbiert. Weltweit gehen heute genau so viele Mädchen wie Jungen zur Grundschule. Und obwohl heute zwei Milliarden Menschen mehr auf der Erde leben als 25 Jahre zuvor, sank die Zahl der Hungernden von mehr als einer Milliarde auf 795 Millionen. Das ist zwar nicht zuletzt auf die Entwicklung der Industrie in asiatischen Staaten zurückzuführen. Dennoch ist nach 70 Jahren vielleicht die größte Errungenschaft der Vereinten Nationen , dass unter ihrer hellblauen Fahne Menschen aus aller Welt in alle Welt gehen, um Kinder zu impfen, Brunnen zu bohren und Hunger zu bekämpfen.

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