Ohnmacht und Frust Der Sicherheitsrat ist beim Thema Syrien zahnlos

NEW YORK (dpa) Zur ersten Sondersitzung über den eskalierenden Konflikt im syrischen Rebellengebiet Ost-Ghuta erscheint Nikki Haley nicht. Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen lässt sich im Sicherheitsrat in der vergangenen Woche von ihrer Nummer zwei vertreten, während sie an der Universität in Chicago einen Vortrag über die „Herausforderungen und Möglichkeiten der UN“ hält. Der Vortrag war lange geplant, das Treffen zum Syrien-Konflikt kurzfristig angesetzt, trotzdem murrt es hinter den Kulissen. Bei Haley herrsche das „Primat der Innenpolitik und das Primat der eigenen Karriere“, heißt es aus Diplomatenkreisen. Sie denke schon an ihre eigene Präsidentschaftskandidatur, „Haley 2024“.

 24.02.2018, USA, New York: Nikki Haley, UN-Botschafterin der USA, spricht nachdem der UN-Sicherheitsrat über eine Resolution zur Waffenruhe in Syrien abgestimmt hat. Der UN-Sicherheitsrat hat per Resolution eine mindestens 30 Tage dauernde Feuerpause für das Bürgerkriegsland Syrien gefordert. Nach anfänglichem Widerstand Russlands und tagelangen Verhandlungen stimmten die 15 Mitgliedsländer am Samstag in New York geschlossen dafür. (zu dpa: «UN-Sicherheitsrat verabschiedet Resolution zu Waffenruhe in Syrien» vom 24.02.2018) Foto: Craig Ruttle/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

24.02.2018, USA, New York: Nikki Haley, UN-Botschafterin der USA, spricht nachdem der UN-Sicherheitsrat über eine Resolution zur Waffenruhe in Syrien abgestimmt hat. Der UN-Sicherheitsrat hat per Resolution eine mindestens 30 Tage dauernde Feuerpause für das Bürgerkriegsland Syrien gefordert. Nach anfänglichem Widerstand Russlands und tagelangen Verhandlungen stimmten die 15 Mitgliedsländer am Samstag in New York geschlossen dafür. (zu dpa: «UN-Sicherheitsrat verabschiedet Resolution zu Waffenruhe in Syrien» vom 24.02.2018) Foto: Craig Ruttle/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Foto: dpa/Craig Ruttle

Dass die USA ihre führende Rolle in der Weltpolitik auch im Sicherheitsrat längst nicht mehr wie gewohnt spielen, ist nur einer der Gründe, warum auch der seit sieben Jahren tobende Bürgerkrieg in Syrien und dessen jüngste Eskalation das Gremium einfach nicht zusammenbringen können. Mehrere Sitzungen und stundenlange Verhandlungen hinter den Kulissen braucht es, bei denen sich Russland stets eng mit Syrien abstimmt, bis schließlich eine zahnlose Resolution verabschiedet ist – die sich eine 30-tägige Waffenruhe wünscht, aber weder eine konkrete Anfangszeit noch ein Druckmittel zur Durchsetzung nennt und dementsprechend wirkungslos verpufft.

Am Tag darauf prescht Russland, das die Resolution gerade noch mit verabschiedet hatte, vor und verkündet eine tägliche fünfstündige Pause. Wie so oft, kritisieren Beobachter, habe Russland damit im Sicherheitsrat auf Zeit gespielt, um dann vor Ort selbst Fakten zu schaffen, ohne komplizierte Beratungen. Zehnmal hat Russland in Sachen Syrien schon sein Veto eingesetzt, um eine Resolution zu verhindern.

Auch zwischen Haleys Vorgängerin Samantha Power und dem damaligen russischen UN-Botschafter Witali Tschurkin gab es zahlreiche offen ausgetragene Konflikte, aber hinter den Kulissen waren die beiden so eng befreundet, dass die Familien sogar Thanksgiving zusammen feierten – und so gab es doch immer wieder Wege um die Konflikte herum. Doch Tschurkin starb vor einem Jahr plötzlich, und zwischen Haley und Tschurkins Nachfolger Wassili Nebensja herrscht nun endgültig Eiszeit. Das Klima sei „schlimm“, heißt es aus Diplomatenkreisen.

Die anderen Mitgliedstaaten des Sicherheitsrats – gerade die der zehn nicht-permanenten, ohne Veto-Macht – sind zunehmend genervt und frustriert, dass das Gremium sich zu Syrien anhaltend gespalten und ohnmächtig zeigt. Stundenlang wird in New York über Begrifflichkeiten diskutiert – während in Syrien Bomben fallen und Menschen sterben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht von einem „Massaker“ in Ost-Ghuta – während der Sicherheitsrat über den als „OP1“ bekannten „operativen Absatz 1“ diskutiert, den wegen seiner konkreten Schritte oft wichtigsten Teil in Resolutionen. Soll der Rat darin eine Waffenruhe „beschließen“, oder doch nur „fordern“, wie es am Ende heißen wird? Soll eine konkrete Uhrzeit für das Inkrafttreten der Waffenruhe festgelegt werden? Wichtige Stunden und Tage verstreichen.

Haley wirkt resigniert, als die Sitzung am Samstag nach erneuter mehrstündiger Verzögerung endlich eröffnet und die Resolution einstimmig angenommen wird. „Hier sind wir und stimmen über eine Waffenruhe ab, die vor Tagen hätte Leben retten können“, sagt die US-Botschafterin. Nur „einige Worte und ein paar Kommas“ hätten sich geändert.

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