Falsche Freunde

Eine Plane, die Abhör-Antennen auf dem Dach versteckt. Aufgemalte Fenster, die eine normale Fassade vortäuschen sollen. All das erinnert viele Deutsche vermutlich an die Stasi. Doch das Gebäude, um das es geht, steht nicht in Ost-Berlin, sondern mitten in Paris an der Place de la Concorde.

Es ist die streng bewachte US-Botschaft, an der jeden Tag tausende Touristen auf dem Weg zu den Champs-Elysées vorbeiflanieren. Als diplomatische Vertretung soll sie eigentlich der Verständigung zwischen den Nationen dienen.

Doch Verständigung fängt für den US-Geheimdienst NSA im Büro des Staatspräsidenten an - des französischen. Dort, wo täglich viele hochgeheime Gespräche geführt werden, hatten die US-Agenten jahrelang ihre Wanzen installiert. Keine schöne Vorstellung, dass zwischen 2006 und 2012 gleich drei französische Staatschefs auf diese Weise abgehört wurden und mit ihnen zahlreiche Berater und Minister. Wohlgemerkt nicht von Feinden des Kalten Krieges wie Russland oder China. Sondern von den USA, dem Verbündeten im Westen, dem Partner in der Nato . Wirkliche Staatsgeheimnisse gab die Enthüllungsplattform Wikileaks mit ihren Protokollen nicht preis. Es sind eher peinliche Pikanterien, die dabei zutage kommen - zum Beispiel die Enttäuschung von Präsident François Hollande nach seinem Antrittsbesuch in Berlin.

Doch eine Lehre können alle Beteiligten aus der Affäre ziehen: Wahre Freunde gibt es nicht. Zumindest nicht für die Geheimdienste. So spähte der BND jahrelang für die NSA Ziele in Frankreich aus, darunter auch Unternehmenschefs und hochrangige Beamte. Vielleicht hat die Abhörstation in Bad Aibling ja sogar beim Ausspionieren des Elysée mitgeholfen. Der Appetit der NSA auf Informationen sei wie der einer nur an Essen denkenden Magersüchtigen, schreibt die Internet-Plattform Mediapart, die die Wikileaks-Dokumente in Frankreich veröffentlichte. Vom Anti-Terrorkampf, dem die Spionage eigentlich dienen sollte, hat sich der US-Geheimdienst dabei weit entfernt. Ein Fehler, den die europäischen Regierungen nicht wiederholen sollten.

Dass die Wikileaks-Enthüllungen ausgerechnet an dem Tag ans Licht kamen, an dem die französische Nationalversammlung über das neue Geheimdienstgesetz abstimmen sollte, war sicher kein Zufall. Gehört doch Mediapart-Chef Edwy Plenel zu den erbitterten Gegnern des Gesetzes. Seiner Ansicht nach macht Frankreich, das mit einer Ausweitung der Befugnisse der Geheimdienste auf die islamistische Anschlagserie im Januar reagiert, damit denselben Fehler wie die USA nach dem 11. September: Es tritt die Bürgerrechte mit Füßen. Und das ist mindestens genauso schlimm, wie bei Freunden zu spionieren.

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