Mutiges Engagement

Muhammad Tahir-ul-Qadri heißt der pakistanische Gelehrte, der gestern in London ein umfangreiches Werk gegen islamischen Terrorismus vorgestellt hat. Das erste seiner Art, das eine theologische Auseinandersetzung mit dem islamischen Extremismus führt, wie es heißt.

Das Engagement des Geistlichen mag anerkennenswert sein - vielleicht auch mutig. Dass aber dieses "Curriculum gegen den Terror" überhaupt solches Aufsehen erregt, offenbart zweierlei: zum einen den Mangel an Selbstbehauptung moderater Muslime in ihrer eigenen religiösen Welt - in der sie sich doch, wie stets betont wird, in der Überzahl befinden.

Zum anderen sagt es viel darüber aus, wie auch moderate Imame das Thema Radikalismus im Islam behandeln: bestenfalls dezent - vermutlich aber auch gar nicht. Ist Angst vor extremistischer Gewalt das Motiv? Ist es Toleranz oder gar Akzeptanz?

Machen sich aber nicht gerade die Imame, die jenen religiösen Fanatismus schweigend hinnehmen, mitschuldig an der brutalen Ermordung nicht nur von Christen oder Juden, sondern auch von Abertausenden ihrer eigenen Glaubensbrüder ? Es sei falsch, sagte kürzlich auch der britische Premier David Cameron in einer Rede vor Muslimen, radikales Gedankengut und extremistische Ideologien stillschweigend zu billigen, weil dadurch die Grundlage gelegt werde, dass junge Leute ihre schwelenden Vorurteile in mörderische Absichten umwandeln. Völlig richtig, denn das Schweigen der muslimischen Mehrheit dient der brutalen Machtentfaltung von Islamischem Staat, Al Qaida und Co. als Vehikel.

Vor etwa einem halben Jahr wehrte sich der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, in einer Fernsehsendung gegen die Forderung vieler Nichtmuslime, er solle sich vom Islamismus und dem Islamischen Staat distanzieren. Distanzieren, so Mazyek, könne er sich nur von etwas, "das in meiner Nähe war". Soll heißen: Von einem Gedankengut, das ich nicht teile, kann ich mich auch nicht distanzieren. Ein einleuchtender Einwand - vordergründig. Der zugleich impliziert, dass der Kampf gegen den islamischen Terror eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei und keine primär muslimische. Diese Einstellung jedoch ist falsch, weil sie auf den Erfolg nichtreligiöser Überzeugungsarbeit zielt. Diese aber wird bei den Fanatikern höchstwahrscheinlich nicht fruchten.

Tatsächlich ist der Kampf gegen die mörderischen islamistischen Horden nur aus der Glaubensgemeinschaft selbst heraus zu gewinnen. Curriculum-Autor Qadri will den "Dschihad" gegen den Islamischen Staat. Damit spricht er zielgerichtet die Muslime an. Und appelliert zwischen den Zeilen an eine religiös aufklärende Einheit aller moderaten Imame. Deren gemeinsame theologische Stimme könnte der Schlüssel dazu sein, den blutigen Terror in die Knie zu zwingen.

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