Analyse Der Ex-Spion, der Brexit und das Geld der Russen

Moskau · In der bisher kältesten Nacht dieses Herbstes in Moskau Mitte dieser Woche wollte der frühere KGB-Spion Alexander Lebedew eigentlich nur sein Buch vorstellen.

 Ein schillernder Lebemann: Ex-KGB-Spion Alexander Lebedew stellte in Moskau sein Buch vor.

Ein schillernder Lebemann: Ex-KGB-Spion Alexander Lebedew stellte in Moskau sein Buch vor.

Foto: dpa/Ulf Mauder

Aber die Präsentation des englischen Titels „Hunt the Banker“ (auf Deutsch: Jagd auf den Banker) gerät beinahe zur Nebensache. Der 59-Jährige wird in Moskau von seinem Londoner Leben eingeholt. Ob die Russen auf die britische Politik Einfluss genommen haben im Wahlkampf vor dem Brexit-Referendum 2016 oder jetzt, um den Konservativen um Premier Boris Johnson bei der Wahl am 12. Dezember zum Sieg zu verhelfen?

„Das ist lächerlich“, sagt Lebedew. „Das läuft alles ohne russischen Einfluss.“ Berichte britischer Medien, die anderes nahelegen, lächelt er weg. Ja, er kenne Johnson und andere frühere britische Premiers. Er bestätigt auch, dass Johnson – noch als Außenminister – im vorigen Jahr zur Geburtstagsfeier seines Sohnes Jewgeni Lebedew nach Italien flog. „Aber ich bin nicht sein Freund.“ Eine angebliche Moskauer Spur in der Londoner Politik tut der Unternehmer, der vor einigen Jahren die britischen Zeitungen Evening Standard und The Independent kaufte, als Kampagne russenfeindlicher Medien ab.

Die Schriftzüge der Zeitungen, eingerahmte Ausgaben und moderne Kunst mit Kremlchef Wladimir Putin als Motiv dienen als Deko in seinem kleinen Moskauer Restaurant. Bei Kaviar und Wodka erzählt der frühere Geheimdienstoffizier, der zu Sowjetzeiten für den KGB in der Moskauer Botschaft in London Kapitalflüchtlinge aus der Heimat ausspionierte, dass der Hass auf Russen ein Niveau erreicht habe, wie es das nicht einmal im Kalten Krieg gegeben habe. Und dann kommt er zum eigentlichen Anlass des abendlichen Treffens – sein Buch, das die immense Kapitalflucht aus Russland und himmelschreiende Korruption in der Rohstoffgroßmacht zum Thema hat. „Aus Russland wird das Geld ausgeführt und im Westen gewaschen“, sagt er. Es gehe um Milliardensummen, die in Offshore-Zentren und Steueroasen geparkt seien und der Entwicklung des Riesenreichs fehlten. Lebedew kritisiert, dass internationale Investmentfonds dabei helfen würden, das Geld zu waschen. „Der Westen macht es den korrupten nationalen Eliten möglich, sich auf kriminelle Weise zu bereichern“, schreibt er.

Die reichen Staaten müssten aufhören, das System zu fördern. Russlands Außenpolitik sollte hier ein Feld aufmachen, meint er. Zur Buchpräsentation ist immerhin auch Maria Sacharowa gekommen – die Sprecherin des russischen Außenministeriums. Als Vorbild lobt Lebedew die USA, die westlichen Banken Geldstrafen wegen Geldwäsche aufbrummten. Russland müsse einfordern, dass der Westen mehr als 100 Milliarden US-Dollar, die kriminelle Banker von russischen Bürgern gestohlen hätten, zurücküberweise.

Der frühere Banker Lebedew, der mit dem Ex-Sowjetpräsidenten und Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow auch Miteigentümer der kremlkritischen Zeitung Nowaja Gaseta ist, hat sich oft politisch eingemischt. Ein Politiker sei er aber nicht. „Ich bin Geschäftsmann“, betont Lebedew. In seinem Buch mit dem Untertitel „Die Beichten eines russischen Ex-Oligarchen“ schildert er auch, wie er zu Reichtum gekommen ist und dann Milliarden verlor.

Besonders schmerzhaft sei das „Fiasko“ mit der deutschen Fluglinie Blue Wings gewesen, die er 2006 gekauft hatte – und die dann pleiteging. Verlorene Prozesse, Ärger mit Steuerbehörden und dem Geheimdienst FSB – Lebedew hat viel zu erzählen auf 256 Seiten. In großen Teilen ist sein Buch vor allem eine humorvolle autobiografische Selbstbespiegelung des schillernden Lebemanns Lebedew, der beste Kontakte in die Promi-Welt hat.

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