Leitartikel Dieser Wahlkampf lässt bislang nichts Gutes ahnen

Kanzlerin Angela Merkel wird die Dienstreise nach Windsor sicher genießen. Schon beim jüngsten G7-Treffen in Cornwall hat sie die Anwesenheit der königlichen Familie beeindruckt. Dass die Queen sie nun auf Schloss Windsor empfängt, ist eine Ehre für die scheidende Kanzlerin.

Merkel ist auf Abschiedstournee.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wiederum beendet am Freitag seinen dreitägigen Staatsbesuch in Israel, bei dem ihm als „engem Freund“ des scheidenden Präsidenten Reuven Rivlin viel Aufmerksamkeit zuteil wurde. In Israel ist das für einen deutschen Präsidenten eine große Ehre. Aber auch seinem Besuch liegt ein Hauch des Abschieds inne – wer weiß schon, ob die nach der Bundestagswahl zu besetzende Bundesversammlung seinem Wunsch folgt und ihn in eine zweite Amtszeit wählt.

Während sich die Spitzen des Staates also auf wirklicher oder möglicher Abschiedstour bewegen, tobt in Deutschland ein Wahlkampf, der bislang an Banalität kaum zu unterbieten ist.

Die Union stellte vor zwei Wochen ein Wahlprogramm vor, danach folgte wenig. Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet lässt größere Visionen bisher vermissen. Die CSU wiederum hat es geschafft, kurz nach dem gemeinsamen Wahlprogramm bereits „rote Linien“ für Koalitionsverhandlungen aufzuzeigen, um eine kostspielige dritte Mütterrente durchzusetzen. Unglaublich.

Die Grünen und ihre Anhänger zerlegen sich derweil in den sozialen Medien in der Frage, ob Annalena Baerbock Teile eines eilig zusammengezimmerten Buches abgeschrieben, direkt kopiert, oder inhaltlich übernommen hat. Die grüne Kanzlerkandidatin selbst philosophiert bei einer Abendveranstaltung über die Rolle von Ernie und Bert in Ehen.

Das ist amüsant – aber wo ist nach dem ganzen Diskussionen über angemeldete Gelder und aufgepeppte Lebensläufe eigentlich die große Rede über ihre Vision, was sie mit dem Land anstellen will, sollte sie ins Kanzleramt einziehen? Wo ist die große außenpolitische Rede? In Israel würde man sich beispielsweise sehr dafür interessieren, wie es unter einer möglichen künftigen Kanzlerin Baerbock mit den deutsch-israelischen Beziehungen weiter gehen könnte.

SPD-Kandidat Olaf Scholz bringt in seiner Eigenschaft als Finanzminister derzeit immerhin eine internationale Mindeststeuer mit auf den Weg – das geht im Geraune um die „Plagiatsvorwürfe“ allerdings fast unter. In einem aber sind alle drei Kandidaten gleich: Sie überschlagen sich gerade mit Auftritten in Talkformaten, Social-Debatten, Auftritten bei diversen Verbänden. Bislang wurde dabei viel geredet, aber wenig gesagt.

Wechsel in der Demokratie sind wichtig und nötig, das Land dürstet nach sechzehn Jahren nach neuen Gesichtern und Persönlichkeiten. Das hoffentlich baldige Ende der Corona-Pandemie könnte in vielen Gesellschafts-und Politikfeldern für einen Aufbruch genutzt werden. Bislang allerdings ist von einem Neustart leider nichts zu spüren.

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