Außenpolitisch steht Berlin auf der Bremse Deutschland muss endlich aufhören zu zaudern

In diesen Tagen, da die USA bei den G7 als mächtigster Spieler zurück auf die Bühne des Multilateralismus kommen, wird das Machtgefüge der Welt neu vermessen. Ausgerechnet Deutschland, das sich stets zum Multilateralismus bekennt, wird dabei aber eine enttäuschende Rolle spielen.

 Kommentarkopf, Foto: Lichtgut/Leif Pichowski

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Und dies nicht, weil etwa das bevorstehende Ende der Ära Merkel den Einfluss schmälern würde. Vielmehr wird bei den Treffen deutlich, dass sich die Bundesregierung bei zentralen außenpolitischen Themen zu sehr duckt. Biden reicht den Verbündeten auf dem alten Kontinent die Hand. Er sucht starke Partner, um seine Agenda durchzusetzen. Doch die Deutschen zaudern.

Zum Beispiel China. Biden ist entschieden, dem immer unverhohlener formulierten Machtanspruch Chinas entgegenzutreten, das völkerrechtswidrig in Hongkong agiert, die Menschenrechte im eigenen Land mit Füßen tritt und die Nachbarn im pazifischen Raum drangsaliert. Und Deutschland? Deutschland verteidigt seine Sonderrolle zu China und begründet sie mit den Handelsbeziehungen. Angela Merkel ist auf EU-Ebene die Fürsprecherin Pekings. Zuletzt hat sie in den letzten Tagen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft das Investitionsschutzabkommen mit China gegen den Widerstand etlicher EU-Partner durchgesetzt.

Oder Russland: Auf die permanenten Provokationen Putins, sei es gegenüber der Ukraine, sei es gegenüber der Demokratiebewegung im Inneren oder vom Kreml als Feinde identifizierten Personen, reagiert die Bundesregierung mit Wirtschaftssanktionen. Aber Berlin schreckt vor der Sanktion zurück, die wirklich weh tun würde: die Erdgasleitung durch die Ostsee, Nordstream 2, zu stoppen. Nicht nur aus Perspektive der unmittelbar Betroffenen wie Ukraine und Polen wäre das wichtig: Ein Pipeline-Stopp fände die volle Unterstützung der gesamten EU.

Drittes Beispiel: mangelndes deutsches Engagement bei den Verteidigungsausgaben. Angesichts der gewachsenen Bedrohungen durch autoritäre Regime wie China und Russland muss mehr in Abschreckung und Verteidigung investiert werden. Zu sehr verlässt sich Deutschland auf die militärische Hilfe, die im Ernstfall die USA leisten würden. Doch die Bundesregierung beansprucht auch hier einen Sonderweg, es ist nicht absehbar, wann Deutschland das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erfüllt. In der Nato tritt Deutschland auf die Bremse, wenn es um die Präsenz im pazifischen Raum geht. Frankreich schickt Atom-U-Boote, Großbritannien seinen einzigen Flugzeugträger. Und Deutschland? Hat angekündigt, demnächst die Fregatte Bayern zu senden, zur Sicherung der Seewege. Das ist eher ein symbolischer Beitrag.

Beim letzten Nato-Gipfel in Brüssel 2019 hat Merkel mit Mühe Trump davon abgehalten, das Bündnis zu sprengen. Die Kanzerlin hat damals zu Recht gesagt, es ist höchste Zeit, dass wir unser Schicksal in die eigene Hand nehmen. Es ist eine Gunst der Stunde, wenn Biden den Europäern wieder anbietet, gemeinsam die Herausforderungen anzugehen. Berlin muss endlich aufhören zu zaudern, Biden wird nicht ewig warten.

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