Leitartikel Ambitioniert ist anders, reichen kann es trotzdem
Im Eiskunstlaufen gibt es eine A und eine B-Note. Die A-Note wird für die technische Ausführung und die Schwierigkeit des Programms verliehen, die B-Note für den künstlerischen Ausdruck. Wenn man für die Vorstellung des Union-Wahlprogramms gleiches anlegt, kann man zu dem Ergebnis kommen: Inhalt befriedigend bis ausreichend, Präsentation gut.
Bei der Pressekonferenz am Montag kam es für CDU und CSU auf Zweierlei an. Zum einen mussten die Inhalte des Programms möglichst reibungsfrei verkauft werden. Besonderes Augenmerk wurde aber vor allem auf den ersten gemeinsamen Auftritt von CDU-Chef Armin Laschet und dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder gelegt. Letzteres haben die beiden ausgeprägten Machtpolitiker gut hinbekommen – allen Erwartungen zum Trotz. Söder hatte nach der Entscheidung laut und vernehmlich aus München gegrollt – über Wochen hinweg. Etwas zu laut, auch für den Geschmack der eigenen Leute. Nun lobte er Armin Laschet am Montag etwas zu überschwänglich. Doch unterm Strich kam eine Botschaft deutlich herüber: Die Union zieht an einem Strang, will regieren und traut es sich auch wieder zu. Und – wichtigster Punkt: Versammelt sich hinter einem Kandidaten.
Inhaltlich legte Laschet Wert auf einen Dreiklang aus Klimaschutz, Wirtschaft und sozialem Ausgleich. Die Union wolle den Klimaschutz stärken, ohne Arbeitsplätze zu gefährden. Söder machte es konkreter. Er fände die Klimadebatte zum Teil „einigermaßen abgehoben“. Die Diskussion um Benzinpreise etwa fände vor allem in der Blase derer statt, die es sich leisten könnten.
Das stimmt nur zur Hälfte, aber die Taktik der Union ist politisch auch nicht ungeschickt. Das Programm enthält keinen genauen CO2-Preis – hier bleibt die Union bewusst im Ungefähren und entschuldigt das mit einem in die Zukunft gerichteten Programm. Das ist schlichtes politisches Kalkül: Dass der Klimaschutz teuer wird, diese Aussage überlässt man lieber den Grünen. Ob der Wähler mehr Ehrlichkeit schätzt – das wird der 26. September zeigen.
Interessanter ist das Versäumnis, klare Finanzierungen im Programm schuldig zu bleiben. Man fragt sich schon, was in der „Wünsch Dir was“-Tüte eigentlich wie gegenfinanziert werden soll. Der Verweis auf die Wachstumskräfte, die auch nach der Finanzkrise für wirtschaftliche Erholung gesorgt hätten, ist eher blauäugig.
Interessant ist das sich wandelnde Familienbild der Union. Sie will das Elterngeld stärken, die Partnermonate um weitere zwei auf 16 ausweiten, wenn sowohl Vater als auch Mutter Elternzeit nehmen. Es ist eine Verschiebung des Rollenbilds. Endlich.
Auch dass sich ein bayerischer Ministerpräsident am Rande der Präsentation dafür ausspricht, das EM-Stadion in München beim Spiel der Deutschen gegen Ungarn in Regenbogenfarben erstrahlen zu lassen, war noch vor ein paar Jahren nicht denkbar. „Wir werden Deutschland rocken“, sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume, ein ehemaliger Eiskunstläufer übrigens. Man darf gespannt sein.