Leitartikel Der Staat muss viel eher und konsequenter eingreifen

Die Bilder sind verstörend. Vornehmlich männliche Migranten brüllen antisemitische Parolen vor Synagogen und anderen Einrichtungen der jüdischen Gemeinden. Im Netz rollt eine Welle des Judenhasses über die sozialen Medien.

In Videos und Podcasts arabischer und türkischstämmiger Jugendlicher wird Hitler verehrt und die Juden ins Gas gewünscht. Widerlicher und hasserfüllter geht es nicht mehr.

Menschen, die aus Krieg und Not nach Deutschland geflohen sind oder sich als Zuwanderer ein besseres Leben erhoffen, machen pauschal die Juden in unserem Land für alle Missstände im Nahen Osten verantwortlich, wünschen ihnen Tod und Verderben. Richtig ist, dass es unter den Migranten eine Minderheit ist, die ihrem Hass freien Lauf lässt. Aber antisemitische Klischees und Vorurteile sind unter der Bevölkerung mit Zuwanderungsgeschichte weit verbreitet. Das zeigen viele Umfragen. Dass es daneben immer noch den Judenhass der Nazis und Rechtspopulisten in Deutschland gibt und auch viele linke Gruppen Kritik an Israel mit antijüdischen Vorurteilen verbinden, ist schlimm, macht aber den Antisemitismus vieler Migranten nicht besser.

Es gibt dafür Erklärungen. Arabische und türkische TV-Stationen, die in Deutschland über Satellit oder das Internet empfangen werden können. liefern den Judenhass frei Haus. Für viele Migranten aus arabischen Ländern und der Türkei sind das oft wichtige, manchmal sogar die einzigen Informationskanäle. Sie erreichen selbst diejenigen, die inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben oder in Deutschland aufgewachsen sind. Und es stimmt auch, dass sich die Politik, die jetzt den Antisemitismus zu Recht geißelt, viel zu wenig um Aufklärung und Debatte gekümmert hat. Auch viele Bildungseinrichtungen vermeiden es lieber, die Dinge beim Namen zu nennen, als akuten Antisemitismus auf Schulhöfen angemessen aufzuarbeiten.

Trotzdem gilt: Wer hierzulande lebt oder Gastrecht genießt, muss sich an die deutsche Rechtsordnung und die Grundsätze halten, die unsere Gemeinschaft bestimmen. Und da ist für Antisemitismus, Rassenhass oder Frauenverachtung kein Platz. Deshalb muss der Staat viel eher und viel konsequenter eingreifen, wenn der Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt ist. Kritik an Israel darf nicht in Hass gegen eine bestimmte Gruppe ausarten, die sich durch Herkunft oder Religion definiert.

Leider nehmen die muslimischen Verbände aus falscher Rücksichtnahme gegenüber autokratischen Machthabern oder radikalen Gruppen nicht ausreichend Stellung gegen den Judenhass. Nur vereinzelt werden die antisemitischen Ausschreitungen verurteilt. Auf den Internetseiten wichtiger Islamverbände findet sich nichts zu den Vorgängen vor deutschen Synagogen. Der Zentralrat der Muslime beklagt die gewaltsame Räumung der Al-Aqsa-Moschee in Jerusalem und schließt die Juden in sein Gebet ein. Das ist legitim, aber nicht ausreichend, um Judenhass und Antisemitismus Einhalt zu gebieten.

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