Leitartikel So will die EU den Ausverkauf ihrer Unternehmen stoppen

In der Pandemie wurde der EU vor Augen geführt, wie sehr sie bei Rohstoffen und wichtigen Gütern von anderen Lieferstaaten abhängig ist. In den Jahren zuvor musste man hinnehmen, dass Unternehmen aus Drittstaaten, die ihre Betriebe mit Milliardensummen unterstützen, auf dem europäischen Markt entweder durch billige Angebote oder Übernahmen wichtige Teile der Wirtschaft in ihre Hand brachten.

 Kommentarkopf, Fotos: Juha Roininen

Kommentarkopf, Fotos: Juha Roininen

Foto: Juka Roininen

Und wer das viel zitierte „Seidenstraßen“-Projekt aus Peking richtig liest, konnte sehen, dass es vor allem eine Maßnahme für fernöstliche Konzerne war, die sich auf diese Weise strategisch wichtige Zugänge zu den Anrainerstaaten sicherten. Was die Europäische Kommission initiiert hat, ist nichts weniger als der Versuch, Peking mit den eigenen Waffen zu schlagen. Zum einen will die Union industrielle Kernbereiche bei zentralen Produkten und Rohstoffen fördern, um sie nach Europa zu holen. Zum anderen sollen ausländische Investoren gestoppt werden, um den Ausverkauf von technischem Know-how der EU-Betriebe zumindest zu erschweren. 

Der Zeitpunkt für diesen Vorstoß wurde gut gewählt. Mit dem Start des neuen Sieben-Jahres-Haushaltes sowie des Wiederaufbau-Fonds „Next Generation EU“ pumpt die Gemeinschaft 1,8 Billionen Euro in den Markt. Der Green Deal legt klare Zielvorgaben fest. Hinzu kommen Projekte wie die Batterie- und die Wasserstoff-Allianz, mit denen man sensible Wirtschaftsbereiche ausbauen und in Europa halten will. Doch dazu braucht es noch mehr. In den zurückliegenden Jahrzehnten hat die EU ihren Wettbewerb mit einem Kartellrecht behütet, das zwar kraftvoll, aber auch provinziell ist. Denn es hat das Entstehen europäischer Champions auf dem Weltmarkt verhindert, nur weil die für Europa zu groß geworden wären. Das Beispiel der gescheiterten Ehe der Alstom- und Siemens-Sparten für Hochgeschwindigkeitszüge gehört hierher. Wenn die EU sich aber aufmacht, um Konkurrenz aus Drittstaaten fernzuhalten, dann sollte sie auch so konsequent sein und sich offen zu ihren Ansprüchen auf dem Weltmarkt zu bekennen.

Mit diesen Initiativen hat sich die Gemeinschaft als würdevoller alter und neuer Partner der USA erwiesen. Denn was in Brüssel in den vergangenen zwei Tagen geschehen ist, hat die Balance der Blöcke verschoben. Kaum beachtet stoppte die EU am Dienstag die Ratifizierung des noch vor wenigen Wochen gefeierten Investitionsabkommens mit Peking. Gleich am nächsten Tag präsentierte man ein neues Arsenal an Maßnahmen gegen staatsfinanzierte Konzerne, das natürlich zu einem großen Teil gegen Fernost gerichtet ist. So etwas passt zu den Vorstellungen der neuen US-Administration von Präsident Joe Biden, der genau genommen die komplette G7-Gruppe um sich scharen will, um Pekings Vormachtstellung auf dem Weltmarkt wirkungsvoll begegnen zu können. Brüssel hat, was einigermaßen beispiellos ist, dafür die frisch gebackene Vertragsfreundschaft mit China wieder gekippt, um sich einer größeren Koalition anzuschließen. Die wirtschaftliche Macht wird gerade neu verteilt. Und die EU hat sich klar auf eine Seite geschlagen.

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