DDR-Kunst Stille Rebellion mit dem Pinsel

Potsdam · Die Potsdamer Ausstellung „Hinter der Maske“ zeigt Kunst aus der DDR – mal staatstragende, mal subversive.

 Ein Gegenentwurf zur staatstragenden Arbeiter-Verherrlichung: Günter Firits Werk „Selbstzerstörung“.

Ein Gegenentwurf zur staatstragenden Arbeiter-Verherrlichung: Günter Firits Werk „Selbstzerstörung“.

Foto: Frank Strassmann

Kunstkritiker Eduard Beaucamp (FAZ) hat in den 1980er Jahren stets betont, dass die individuellere Kunst als Reaktion auf Repressalien entsteht – wie seinerzeit in der DDR. Unternehmer und Mäzen Hasso Plattner (SAP) hat das ebenso früh erkannt und vor vielen Jahren angefangen, DDR-Kunst im großen Stil zu sammeln. Zehn Bilder aus seiner Sammlung sind nun im von ihm finanzierten Museum Barberini in Potsdam ausgestellt. Insgesamt sind es mehr als 100 Werke aus den 40 Jahren der Existenz des zweiten deutschen Staates. Diese Schau ist ein Ereignis.

Neben bombastischer Staatskunst­ästhetik sind Bilder von Künstlern zu sehen, die das Risiko wagten, eigensinnig zu gestalten, weit weg von der von Staatsfunktionären erwünschten ideologisch grundierten Kultur. Diese Bilder gelangten im kleinen Land nie in Ausstellungen. Die Schau „Hinter der Maske“ zeigt Malerei, in denen sich DDR-Bürger wiedererkennen. Und Westdeutsche gewinnen tiefe Einblicke in die Seelenlandschaft der Ostdeutschen.

Zu sehen sind Gegensätze: Hier die staatlich geförderte Kunst, die mit Farben und Gemäldegrößen auftrumpft. Dort die persönliche Kunst, kleiner, aber teilweise überwältigend in ihrer Offenheit und künstlerischen Kraft. „Im Mittelpunkt stehen die Künstler und ihr Selbstverständnis“, erklärt Museumsdirektorin Ortrud Westheider. Auffällig viele Selbstporträts von insgesamt 87 Künstler sind zu besichtigen, Gruppenbildnisse und Atelierbilder, auch Grafiken, Collagen, Fotografien und Skulpturen.

Eine Attraktion sind auch die 16 Riesenformate aus der Galerie des Palasts der Republik, die erstmals seit mehr als 20 Jahren wieder zu sehen sind, vor allem von Heise, Tübke und Sitte. Mit einer fast obszönen Geschichtsklitterung machte sich diese Repräsentationskunst gemein.

Ganz anders die acht Themenräume, in ihnen wird die stille Rebellion der Künstler sichtbar. Sie verweigern sich der Vereinnahmung durch Partei und Kulturpolitik, zeigen kein Interesse am „neuen“ Menschen des Sozialismus mit herausgestreckter Brust und Grubenhelm auf dem kantigen Schädel, wie zum Beispiel Sitte es in seiner erdrückenden Arbeiterverherrlichung auf großen Schinken ausbreitete. Die Porträts verweisen auf die reiche, wenn auch unterdrückte DDR-Kunst. Hans Grundig, 1901 geboren, glaubt noch Ende der 1940er Jahre an eine bessere Zukunft in der DDR, sein Bildraum öffnet sich vom Dunkel ins Helle. Er irrte sich.

Otto Manigk dagegen zeigt schon im Porträt von 1962 die Enttäuschung über die staatlich dirigierte Kunst. „Seiltänzer“ mit Spitzkegelhut von Trak Wendisch riskiert einen Drahtseilakt zwischen Selbstbehauptung und Vorsicht. Erich Kissings Gemälde „Leipziger am Meer“ (1976-1979) demonstriert mit Halbnackten den Bürgerwunsch nach mehr Freiheit, Lust und Selbstbestimmung: Sechs Studenten der Kunsthochschule Leipzig in Badehosen rund um eine barbusige Meerjungfrau.

Das Spannungsfeld des Künstlers zum Staat scheint in den Bildern auf. Viele Maler entzogen sich dem ideologischen Überbau, waren oft Repressalien ausgesetzt. Der Mut zum Widerstand war beträchtlich. Hier verordnete, dort existenzielle Kunst – letztere zeitlos.

„Hinter der Maske. Künstler in der DDR“: Museum Barberini, Potsdam.
10-19, Do bis 21 Uhr, Katalog 29,95 Euro. Die Schau läuft noch bis zum 4. Februar.

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