Metzer Kunstfonds FRAC Lorraine Zeitgenossenschaft als oberste Richtschnur

Metz · Der Metzer Kunstfonds FRAC hat sich der zeitgenössischen Kunst verschrieben. Die neue Leiterin Fanny Gonella hat zuvor 15 Jahre lang als Kuratorin in Deutschland gearbeitet. Was plant sie in Metz?

 Seit dem Frühjahr ist Fanny Gonella neue Direktorin des Metzer FRAC (Fondation Régionale d‘Art Contemporain). Zuvor hat sie zuletzt vier Jahre lang das Künstlerhaus in Bremen geleitet.

Seit dem Frühjahr ist Fanny Gonella neue Direktorin des Metzer FRAC (Fondation Régionale d‘Art Contemporain). Zuvor hat sie zuletzt vier Jahre lang das Künstlerhaus in Bremen geleitet.

Foto: Silvia Buss

Noch immer ist es in Frankreich eher ungewöhnlich, dass eine Kuratorin, deren Laufbahn nur deutsche Stationen umfasst, dort als Direktorin einer Kultureinrichtung berufen wird. Im Fall von Fanny Gonella, die im Frühjahr die Nachfolge von Béatrice Josse als künstlerische Direktorin des regionalen Kunstfonds von Lothringen, dem FRAC Lorraine, in Metz übernahm, liegt das Ungewöhnliche anderswo, nämlich in der Vita. Gleich nach ihrem Kunstgeschichtsstudium an der Pariser Elitehochschule „wanderte“ sie nach Deutschland aus.

Zuerst mit einem Austauschprogramm des Deutsch-Französischen Jugendwerks. „Ich dachte, ich bleib’ da drei Monate, bevor sich mein Leben settelt“, erzählt sie und lacht. Es wurde länger, viel länger. 15 Jahre, nahezu ihre gesamte Berufslaufbahn als Kuratorin hat die 41-Jährige seither an deutschen Kunsthäusern und Museen gearbeitet und damit außerhalb der französischen Karriere-Netzwerke. Zuletzt leitete sie rund vier Jahre das Künstlerhaus Bremen. Ob da ein wenig deutscher Einfluss abfärben wird auf das FRAC, das auf zeitgenössische Kunst ausgelegt ist, die nicht immer leicht zugänglich ist?

Unterschiede zwischen der deutschen und französischen Kunstszene sieht die fast perfekt Deutschsprachige auf jeden Fall: „Das erste, was mir damals auffiel, war der hohe Stellenwert, den die Malerei in Deutschland hat, das war der größte Kontrast“, sagt sie. Denn in Frankreich habe die Malerei ab den 80ern eher ein Schattendasein geführt, dafür entstand im Kino-Land eine lebhaftere Videokunst-Szene, daneben wurde vor allem installativ gearbeitet. Das hat auch Fanny Gonella, der schon früh klar war, dass sie „lieber mit lebenden als mit schon gestorbenen Künstlern arbeiten möchte“, bis heute geprägt.

Wenn sie auf die Ausrichtung der Sammlung des FRAC Lorraine zu sprechen kommt, gerät sie sofort ins Schwärmen. Sie sei überhaupt der Hauptgrund gewesen, sich hier zu bewerben. Ihre Vorgängerin Béatrice Josse, die der Sammlung von 1993 bis 2017 ihr Profil gab, hat vor allem Werke von Frauen angekauft, um deren Unterrepräsentanz zu beheben. Sie legte –  als Mitglied einer fünfköpfigen Ankaufs-Kommission – den Fokus auf feministische Kunst, auf installative, temporäre, auch auf immaterielle Werke (Protokolle etwa von Performances) oder Architektur. So soll es auch bei Gonella weitergehen. Es gibt daneben aber noch zwei, drei neue Ansätze, über die sie gerade nachdenkt: Man könnte etwa manche Werke nur auf Zeit ankaufen oder auch Künstlern ermöglichen, ein Werk nach Jahren zu überarbeiten.

Vorgaben, welche Kunst der von Staat und Region finanzierte FRAC sammeln solle, gebe es nicht, betont sie – stattdessen bestimmte Aufgaben, was er zu leisten habe. Dazu gehört, mit der Kunstsammlung nicht nur das Stamm-Haus 49 Nord 6 Est in der Metzer Rue des Trinitaires zu bespielen, sondern den ganzen regionalen Bereich. Regelmäßig produziert der FRAC daher auch, wovon man als normaler Metz-Besucher nichts mitbekommt, Ausstellungen für Orte wie die Bibliotheken („Médiathèques“) in Forbach und Bitche, sowie die Cité von Le Corbusier in Briey. Sogar an Schulen, sofern die räumlichen Bedingungen es hergeben, oder an öffentliche Einrichtungen wie das Krankenhaus von St. Avold, leiht der FRAC Kunst, Fotografien, Video oder Installatives aus.

Gonella setzt auf Kunstvermittlung. Neben Workshops für Besucher, Vorträgen und Führungen gehört dazu auch die Arbeit mit Schulen. Doch nicht in dem Sinne, „Ich stehe jetzt vor einem Kunstwerk und das wichtig“, wie sie sagt. Traditionelle „heroische“ Muster lehne sie ab, sagt sie. Zur Verdeutlichung beschreibt sie eines ihrer Lieblingswerke aus der Sammlung: Ian Wilsons „Time“ von 1982 sei eine „permanente orale Intervention“, die jedesmal reaktiviert wird, wenn jemand das Wort „Time“ ausspricht. „Ich finde das ganz großartig, weil es etwas mit Selbstwahrnehmung zu tun hat“, sagt Gonella. Man entwickele so einen ganz anderen Bezug zum Kunstwerk, weil man es selbst mit produzieren müsse.

Ihre erste Ausstellung im neuen Haus, „Wie werden wir uns wiedererkennen“, die sie aus Bremen mitbrachte, kreiste um das Thema Ähnlichkeit, Nachahmung, Mimetik. Am 6. Juli zeigt sie nun in einer großen Einzelausstellung den österreichischen Künstler Martin Beck.

18 000 Besucher zählt der FRAC pro Jahr. Auch in Metz gab es in der Vergangenheit Kritiker, die ihm vorwarfen, zu „schwierig“ zu sein, zu wenig Publikum zu ziehen. Doch das sieht Gonella souverän. „Es geht nicht unbedingt darum, dass mehr kommen, sondern, dass die, die kommen, auch etwas davon haben.“ Durch die Schaffung der Großregion Grand-Est war lange fraglich, ob die drei FRACs von Lorraine, Champagne-Ardenne und Alsace nicht zusammengelegt würden. Doch nun stehen neben ihr zwei neue Leiterinnen an der Spitze der Häuser. Mit der Mission zusammenzuarbeiten. Dass man dabei auch über der Grenze Partner für Kooperationen suchen werde, liegt für Gonella auf der Hand.

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