Merkel umwirbt die Gewerkschaften

Berlin. Es war sicher kein Zufall, dass Angela Merkel (CDU) ihre Einladung an die Gewerkschaftsspitzen gestern mit einem Mittagessen im Kanzleramt verband. Bei uns dürfen nicht nur die Ackermänner tafeln. Das war unausgesprochen die Botschaft, nachdem ein Geburtstagsempfang für den Chef der Deutschen Bank in der Regierungszentrale kurzzeitig die Republik erregt hatte

Berlin. Es war sicher kein Zufall, dass Angela Merkel (CDU) ihre Einladung an die Gewerkschaftsspitzen gestern mit einem Mittagessen im Kanzleramt verband. Bei uns dürfen nicht nur die Ackermänner tafeln. Das war unausgesprochen die Botschaft, nachdem ein Geburtstagsempfang für den Chef der Deutschen Bank in der Regierungszentrale kurzzeitig die Republik erregt hatte. Inzwischen mehren sich die Anzeichen, dass es bei der Bundestagswahl für eine schwarz-gelbe Koalition reichen könnte. Das macht die Gewerkschaften misstrauisch. Sie befürchten den Abbau von Arbeitnehmerrechten. Erst vor ein paar Tagen kamen Forderungen aus der Wirtschaft nach einer Lockerung des Kündigungsschutzes. Die Gewerkschaften wiesen den Vorstoß als "Unsinn" zurück. DGB-Chef Michael Sommer hakte gestern noch einmal nach, wie es Merkel damit halten will. Der Kündigungsschutz dürfe nicht in Frage gestellt werden. Dabei hatte die Regierungschefin schon vor dem Termin im Kanzleramt allen gegenteiligen Wünschen eine Absage erteilt. Diesen Standpunkt bekräftigte sie noch einmal gegenüber den Gewerkschaftern, was Sommer zufrieden als "klare Aussage" wertete. Umgekehrt bekamen die Gewerkschaften von Merkel ein dickes Lob dafür, dass sie sich in der Krise als verlässlicher Partner gezeigt hätten. Ein weiteres Thema war die Ausbildungssituation in den Betrieben. Die Kanzlerin räumte ein, dass die Übernahme von Lehrlingen zu wünschen übrig lässt und man deshalb wohl "noch nachsteuern" müsse. Geplant sind offenbar zusätzliche Aktivitäten der Bundesagentur für Arbeit. Im Juni hatte die große Koalition einen Bonus für Arbeitgeber beschlossen, der greift, wenn sie Auszubildende aus Pleitebetrieben übernehmen.Nun gelte es, den Wachstumspfad gemeinsam anzugehen, warb die Kanzlerin. Sie setze dabei auf "die Instrumente der Mitbestimmung" und die Verantwortung von Gewerkschaften und Betriebsräten. Merkels Charme-Offensive gegenüber den Arbeitnehmervertretern dürfte die SPD mit Argwohn betrachten. Zumal das Treffen kurz vor den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und dem Saarland an diesem Sonntag stattfand. Schließlich setzt die SPD auch auf die Unterstützung der Gewerkschaften, wenn es um die Mobilisierung ihrer Anhänger geht. Das Treffen im Kanzleramt mündete jedoch nicht in einhelliger Einigkeit. So setzte Sommer vergeblich darauf, dass Merkel ihm und seinen Leuten bei den Bemühungen zur Seite springt, die Regeln für Zeitarbeit wieder zu verschärfen, um der "Lohndrückerei" durch Billigarbeitskräfte einen Riegel vorzuschieben. Wie bei der Forderung nach einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn kamen die Gewerkschaftsspitzen nicht wirklich weiter. Auch bei der Verlängerung der geförderten Altersteilzeit stellte sich das Kanzleramt taub. Meinung

Treueschwüre für den Wahlsieg

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter Angela Merkel hat ein besonderes Interesse an dem Schulterschluss mit den Gewerkschaften. Vor vier Jahren trug ihr Ringen um die Macht im Kanzleramt noch starke neoliberale Züge. Der "Lohn" dafür war ein Beinahe-Desaster am Wahlabend. Das will Merkel sich nicht noch einmal antun. Deshalb übt sie den Spagat, für eine schwarz-gelbe Koalition einzutreten, aber zugleich alles auszublenden, was gemeinhin mit der Politik in einer solchen Konstellation verbunden wird. Aufweichung des Kündigungsschutzes? Für die CDU-Frontfrau ist das "abgehakt". Rütteln an branchenspezifischen Mindestlöhnen? Nicht mit uns. Die Unionsliste der sozialstaatlichen Treueschwüre ließe sich noch weiter fortsetzen. Fehlt eigentlich nur noch, dass FDP-Chef Guido Westerwelle in diesen Lobgesang einstimmt.

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