Letzte Hoffnung: Insolvenz

Ehingen. Deutschlands größte Drogeriekette ist zahlungsunfähig. Die Krise von Schlecker erreichte gestern ihren vorläufigen Höhepunkt, jetzt hat das Unternehmen eine sogenannte Planinsolvenz angekündigt. Der Insolvenzantrag werde spätestens Montag eingereicht, teilte ein Sprecher des Unternehmens mit. Als Grund nennt Schlecker eine geplatzte Zwischenfinanzierung

Ehingen. Deutschlands größte Drogeriekette ist zahlungsunfähig. Die Krise von Schlecker erreichte gestern ihren vorläufigen Höhepunkt, jetzt hat das Unternehmen eine sogenannte Planinsolvenz angekündigt. Der Insolvenzantrag werde spätestens Montag eingereicht, teilte ein Sprecher des Unternehmens mit. Als Grund nennt Schlecker eine geplatzte Zwischenfinanzierung. Bei einer Planinsolvenz führt das bisherige Management das Unternehmen weiter und wird vom Insolvenzverwalter nur beraten.Während die Konkurrenten dm aus Karlsruhe und Rossmann aus dem niedersächsischen Burgwedel wachsen und wachsen, ist Schlecker seit geraumer Zeit in einer Schrumpfkur. Branchenkenner hatten der bisherigen Nummer eins bereits wenig Chancen eingeräumt, als sie vergangenes Jahr ihr neues Konzept vorstellte. Schlecker sollte heller, freundlicher, großzügiger werden, die Mini-Läden an jeder Ecke mit nur einer Verkäuferin der Vergangenheit angehören. 230 Millionen Euro wollten die Kinder des Unternehmensgründers Anton Schlecker, Meike und Lars, in die Hand nehmen, um zunächst rund 700 Filialen umzubauen.

Doch die frühere Schlecker-Stärke, das riesige Filialnetz, wird jetzt zum Problem. Manchmal sind Filialen nur wenige hundert Meter entfernt - mit ganz ähnlichen Sortiment. Viele der Läden können keinen wirtschaftlichen Umsatz mehr erzielen - mit einem Umsatz von unter 25 000 Euro pro Monat waren sie nicht mehr zu halten. Zuletzt hatte das Unternehmen über 1000 Filialen geschlossen, weitere Schließungen waren angekündigt. Auch im Saarland standen zuletzt bis zu zwölf Filialen auf der Kippe, sagt die saarländische Verdi-Beauftragte Steffi Recknagel.

Wie groß die Finanzlücke ist, die Schlecker zur Insolvenzanmeldung zwingt, darüber schweigt sich das Unternehmen aus. Nicht einmal die Umsatzzahlen von 2011 sind bekannt. Nur, dass sie niedriger lagen als 2010 - und schon damals waren es mit 6,55 Milliarden Euro erheblich weniger als im Vorjahr.

Die Mitarbeiter bleiben allerdings optimistisch. "Ich denke, dass die Unternehmensleitung daran festhält, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu retten", sagt Christel Hoffmann, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates. Zuletzt sei es die herrschende Linie gewesen, dass Befristungen auslaufen sollten, um Stammpersonal zu halten.

Hoffmann, die als Betriebsratschefin vor gut zwei Jahren gegen den Missbrauch von Leiharbeit bei Schlecker vorgegangen war, sieht auch einen Wandel in der Unternehmenskultur seit dem Einzug der Schlecker-Kinder in das Management: "Die Zusammenarbeit hat sich zum Positiven gewendet", sagt sie.

Verdi will jetzt laut Recknagel so schnell wie möglich in Gespräche mit dem Schlecker-Management eintreten. "Wir sind gestern von der Nachricht überrascht worden. Bisher waren wir davon ausgegangen, dass Schlecker es ohne Insolvenz schaffen wird", sagte sie. Im Saarland gibt es nach Verdi-Angaben rund 100 Filialen mit insgesamt etwa 350 Mitarbeitern. "Ich denke aber, dass es ohne weitere Schließungen nicht gehen wird", sagt sie. Verdi-Landesleiter Alfred Staudt bezeichnet die Insolvenz als das Ergebnis der "asozialen Wirtschaftspolitik von Anton Schlecker, der schnell Geld verdienen wollte, statt auf Nachhaltigkeit zu setzen".

Im Netz kursierten binnen kurzer Zeit die ersten, teils bissigen Kommentare zum Drogerieriesen: "For You: Vor Ort. Vorbei", heißt es in etlichen Tweets beim Kurznachrichtendienst Twitter, die den aktuellen Werbeslogan des Drogerieriesen parodieren. "For You.

Vor Ort. Vorbei."

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Meinung

Keine Überraschung

Von SZ-RedakteurJoachim Wollschläger

Dass Schlecker Insolvenz anmelden muss, kann niemanden wirklich überraschen. Schließlich hat die Drogeriemarktkette über Jahre alles getan, um sich ins Abseits zu manövrieren. Sei es die unwürdige Behandlung der Mitarbeiter, die altbackene Gestaltung der Läden oder die miserable Kommunikationspolitik des Inhabers Anton Schlecker. Sicher, Schlecker war in den meisten Orten mit kleinen Filialen vertreten, wer aber die Chance hatte, bei den Konkurrenten Rossmann oder dm einzukaufen - beide fortschrittlicher geführt - tat das meist auch. Traurig ist nur, dass die Insolvenz das Unternehmen jetzt trifft, wo die Schlecker-Nachkommen Lars und Meike offensichtlich einen neuen Kurs eingeschlagen haben. Doch es dauert lange, eine über Jahre verfehlte Unternehmenspolitik zu ändern. Jetzt bleibt zu hoffen, dass dies zumindest in der Insolvenz noch gelingt.

Hintergrund

Die Planinsolvenz, die Schlecker anstrebt, ist ein Spezialfall des Insolvenzverfahrens. Ziel ist der Erhalt des Unternehmens. Damit unterscheidet sich die Planinsolvenz von der "normalen" Pleite, bei der Unternehmen oft zerschlagen oder einfach nur noch abgewickelt werden und die Gläubiger das restliche Vermögen erhalten.

Der Insolvenzverwalter tritt bei der Planinsolvenz nur beratend auf - die alte Geschäftsführung bleibt im Amt. dpa

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