Tierfilme „Große und haarige Tiere sind im Tierfilm gefragt“

Hannover · Von Joachim Göres

 Elefant im Kruger Nationalpark in Südafrika.

Elefant im Kruger Nationalpark in Südafrika.

Foto: dpa/epa Jon Hrusa

Ein zwei Meter großer und fünf Zentner schwerer Gorilla steht vor der Kamera und knickt Bananenstämme wie Streichhölzer. Das hatten die Kinozuschauer von „Herrscher des Urwalds“ vorher noch nicht erlebt – sie strömten 1958 in Massen in diesen in 25 Sprachen übersetzten Film über die Tierwelt im Regenwald des Kongos von Heinz Sielmann. Im deutschen Fernsehen präsentierte er ab 1965 als erster Tierdokumentationen – nie zuvor konnten TV-Zuschauer exotische Tiere so nah in „Expeditionen ins Tierreich“ erleben, die Zuschauerquoten lagen bei über 60 Prozent. Bis 1991 präsentierte Sielmann, der 2006 verstarb, die Sendung einem Millionenpublikum. Und heute?

„Das Publikum ist älter geworden, aber das Interesse ist nach wie vor groß. Nur 20 Prozent aller Zuschauer sehen sich keine Tier- und Naturfilme an“, so Jörn Röver, Geschäftsführer der Doclights GmbH. Doclights produziert für den NDR „Expeditionen ins Tierreich“ – inzwischen eine der ältesten deutschen TV-Serien, die in der ARD unter dem Titel „Erlebnis Erde“ ausgestrahlt wird und insgesamt mehr als drei Millionen Zuschauer pro Folge erreicht. Die Ansprüche sind laut Röver gestiegen: „Sielmann drehte einst mit einer Kamera. Heute werden mehrere hochmoderne Kameras eingesetzt, dazu versteckte Kameras und Drohnen für die Perspektive von oben, es wird mit Zeitraffer und Superzeitlupe gearbeitet und eine Geschichte erzählt.“

Säugetiere stehen nach seinen Angaben in der Gunst des Publikums deutlich vor Vögeln und Insekten, bei den Regionen ist eher Nord- und Osteuropa als Asien oder Südamerika gefragt. Außer in Deutschland werden solche Filme vor allem in Österreich, England, Frankreich, Japan und den USA produziert. „Die BBC hat weltweit den größten Anteil. Ihre Produktionen sind sehr erlebnisorientiert und teuer, die deutschen Produktionen gehen auch in diese Richtung. Den Gegenpol findet man in Japan, wo die Drehzeiten viel kürzer sind. Dort liege der Fokus auf Information.

Spannung, Erheiterung, einzigartige Landschaftsaufnahmen – diese Elemente spielen laut Christoph Klimmt eine große Rolle für die Popularität des Tier- und Naturfilms. „Wichtiger ist aber, dass solche Filme einen daran erinnern, was wirklich zählt - wenn zum Beispiel gezeigt wird, wie sich Tiereltern um ihre Kinder kümmern“, sagt der Professor für Kommunikationswissenschaft an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Skeptisch ist er, inwieweit daraus auch Engagement für den Schutz der Natur erwächst.

Menschen einzigartige Naturlandschaften durch spektakuläre Bilder näherbringen – das ist das Ziel des Filmemachers Jan Haft. Auf einer Tagung der Hochschule Hannover wurde kürzlich als Weltpremiere sein 50-minütiger Film „Magie der Fjorde“ gezeigt, der im Frühjahr auf Arte unter dem Titel „Naturwunder des Nordens: Unsere Fjorde“ zu sehen ist. Vier Jahre brauchten Haft und vier weitere Kameraleute in Norwegen, um den arten- und farbenreichen Lebensraum über und unter Wasser einzufangen. Da springen Lachse unter Wasserfällen durch die Luft, große Orkas jagen riesige Heringsschwärme, aufgebrachte Entenmütter verteidigen ihre Küken gegenüber einer Möwe. Dazu gibt es meist Musik - spannende Szenen werden mit dramatischen Tönen unterlegt, um den Eindruck noch zu steigern. Nicht allen Zuschauern gefällt das. „An der Musik im Tierfilm scheiden sich die Geister“, sagt Haft. Plastikmüll, Überfischung, Kreuzfahrtschiffe oder Klimawandel tauchen in seinem Film als Themen nicht auf, in den Fjorden scheint die Welt noch in Ordnung. „Wir haben auch Plastikmüllteile gefunden, aber das wollten wir nicht zeigen, denn die Zuschauer erwarten eine Reportage über die Schönheit der Natur“, sagt Haft. Birgit Peters, Programmverantwortliche beim österreichischen ORF, unterstützt diese Haltung: „Das Publikum will schöne Bilder sehen, aber keine Probleme. Bei uns gehen Sehnsuchtsorte immer gut, große und haarige Tiere sind gefragt.“

Kerstin Stutterheim, Professorin für Medien an der britischen Uni Bournemouth und Filmemacherin, hält dagegen Filme für zeitgemäßer, die Probleme nicht ausklammern und nennt erfolgreiche Produktionen aus dem englischsprachigen Raum („The Ivory game“ über Wilderei gegen Elefanten und „Virunga“ über bedrohte Gorillas).

250 kostenlose Filme bietet Doclights unter www.tierwelt-live.de an.
Das Museum für Naturkunde Berlin zeigt bis 29. April 2018 eine Ausstellung über Heinz Sielmann.

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