Beeindruckende „Rotationen“ in Saarlouis Betörende Filme auf nacktem Beton

Saarlouis · Die Hochschule der Bildenden Künste und die Hochschule für Musik nutzen die katholische Kirche St. Ludwig in Saarlouis bei den „Rotationen“ als Projektionsfläche für Film und Musik.

 Beeindruckende Lichtspiele konnten die Besucher in der Kirche St. Ludwig in Saarlouis bestaunen.

Beeindruckende Lichtspiele konnten die Besucher in der Kirche St. Ludwig in Saarlouis bestaunen.

Foto: Oliver Dietze

„Rotationen“ nennen die Hochschule der Bildenden Künste (HBK) Saar und die Hochschule für Musik ein gemeinsames Projekt, bei dem Studierende der beiden Hochschulen gemeinsam eine Video-Sound-Installation kreieren. Die Idee entstand 2015 und wurde in lauen Sommernächten dann zweimal in Saarbrücken an der Fassade des Schlosses umgesetzt, dann im Pingusson-Bau und im Jahr 2018 schließlich an der Fassade der Modernen Galerie unter dem Titel „Revolver“. Es folgte ein Jahr Auszeit, schließlich verhinderte Corona eine Neuauflage.

Nun sind die „Rotationen“ mit einer dreitägigen Aufführung zurück. Erstmals außerhalb Saarbrückens haben sich die Künstlerinnen und Künstler die katholische Kirche St. Ludwig am großen Markt in Saarlouis ausgesucht. Hinter der neogotischen Fassade verbirgt sich eine Überraschung. Das Kirchenschiff wurde nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs in den 1960ewr Jahren nach Plänen von Gottfried Böhm neu errichtet. Es ist ein moderner Kirchenbau, der in seinem Inneren etwas an einen Bunker erinnert. Kaum Fenster, nackter Sichtbeton, zerklüftete Decken und Wände mit zahlreichen Vorsprüngen und Rücksetzungen. Als Projektionsfläche für eine Videoinstallation allerdings ideal, weil viel Wandfläche vorhanden ist und sich damit wunderbar spielen lässt.

 So überrascht es schon etwas, dass die acht Projektoren eher Figuratives auf Wände und Decke strahlen. Wunderbar allerdings die metaphorische Umsetzung von Rilkes Gedicht „Der Panther“ von Anna Mitscha. Sie visualisiert die gelangweilte Raubkatze hinter Gittern und lässt sie über die Wände huschen. Und Betroffen fühlen sich sofort an die eigene  Corona-Quarantäne erinnert, die Langeweile und die wenigen Glückmomente während der Pandemie. Dazu liest Synchronsprecher Hans Mittermüller mit sonorer Stimme die Zeilen des Gedichts. Mitschas betörend schöne Animation ist auch die Lieblingsarbeit von Besucherin Christa Flieger: „Ich habe fast alle Rotationen-Projekte gesehen und fand diese Ausgabe wunderbar. Der Panther war großartig umgesetzt, aber auch die Arbeit von Burkhard Detzler fand ich aufregend“, erzählt die Rentnerin im Anschluss begeistert.

 Tatsächlich gab es Jahrgänge, in denen die Studierenden ihren Lehrern den Rang abgelaufen haben, in diesem Jahr allerdings waren auch die Lehrenden stark. Burkhard Detzler trumpft mit einer Arbeit auf, welche mit den Textzeilen des Jazz-Liedes „Moanin‘“ die Architektur der Kirche definiert. Er lässt die Schriftzeichen als Linien über die Wände wandern und macht im Dunkel der Projektion die Architektur neu erfahrbar. Dazu spielt die HfM Basic Jazz Lounge unter Leitung von Schlagzeuger Oliver Strauch den Song und lässt die wunderbare Stimme von Claire Reich in der Kirche widerhallen.

 Insgesamt 13 Video-Sound-Installationen sind in der Kirche zu sehen. Wie immer unterstützt die Musik die Videos perfekt: „Ich bin immer wieder begeistert von dem Zusammenspiel von Film und Musik“, erzählt Besucher Mark Kraus und seine Tochter Laura-Sophie fügt etwas enttäuscht an: „Ein bisschen schade finde ich allerdings, dass es in diesem Jahr keine Live-Musik gibt und das Sommer-Happening-Gefühl fehlt.“

Die Rotationen wurden in der Vergangenheit von Live-Musik begleitet, in diesem Jahr wurde nur am Mittwoch Live-Jazz zu den Bildern improvisiert. Bei den Vorstellungen am Donnerstag und Freitag kam die Musik vom Band. Das ist schade, allerdings verhindern Pandemie-Auflagen den größeren Spaß. So fehlt etwas die Wärme der Live-Musik, künstlerisch allerdings ist das zu verschmerzen, denn wie immer ergänzen sich Filme, Animationen und Musik perfekt.

Die Musik spielt eine bedeutende Rolle und ist keine reine Untermalung des Visuellen. Mal sind es sphärische Elektropopklänge, welche verträumte Bilder durch den Raum tragen, dann groovige Sounds oder hämmernde Jazzrhythmen, bei „Caveworld“ von Jan Sier ist es der Song „Rain“ des Hip-Hop-Musikers Mac Miller. Sehr gut ist auch Julian Bohlingers kongeniale Umsetzung von „Lockdown Koller“, das ein Musikstück von Strauch aufnimmt und den monotonen Alltag des Lockdowns zeigt. HBK-Dozent Mert Akbal ist mit „Olymp“, „Reise zum Mond“ und „Zeitenwende“ gleich dreimal vertreten. Auffällig ist vor allem „Zeitenwende“, das als Metapher für die zunehmend durchstrukturierte digitale Welt der Pandemie mit der Architektur der Kirche spielt. Kanten werden durch Linien visualisiert, zu Flächen verbunden, die sich aus der Architektur lösen und neu gruppieren oder zur Decke stoben.  Grandios!  

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