Jesus als Wanderprediger, Wundertäter und „Eiferer“

In den USA sorgte Reza Aslan mit seinem Buch „Zelot. Jesus von Nazareth und seine Zeit“ für Aufsehen, auch weil er Jesus in die Tradition der jüdischen „Eiferer“ stellt. Werner Dahlheim thematisiert in „Die Welt zur Zeit Jesu“ die Verklärung Jesu.

In den USA war es eine Sensation. Der Moslem Reza Aslan erlaubt sich, über Jesus zu schreiben, der doch den Christen gehört. "Zelot" ist jenseits des Großen Teiches eines der meistdiskutierten Bücher des Jahres. Vor allem konservative Fromme gerieten über die Thesen des noch jungen Autors, 1972 im Iran geboren, in Rage. Dabei hat Aslan sich einfach tief in die Zeit hineinversenkt, in der Jesus von Nazareth lebte. Als Religionswissenschaftler ist er belesen und kennt sich in der Leben-Jesu-Forschung gut aus.

Seine These: Jesus agierte zu Lebzeiten in der Tradition der jüdischen "Eiferer", er war Wanderprediger und machte als Wundertäter von sich reden. Er sammelte eine Anhängerschaft um sich, die in ihn den Messias sah. Den römischen Kolonialherren war er aber nur ein Bandit, er musste beseitigt werden.

Anschaulich und fesselnd kann Reza Aslan das schildern, eine solche lebendige Darstellung des Handelns von Jesus würde man manchem Prediger wünschen. Wenn Aslan etwa ab Seite 34 die Tempelreinigung schildert, wird man als Leser völlig hineingezogen in dieses Geschehen. Das führt zu nachhaltiger Erkenntnis. Und das müsste allen, die sich mit dieser ambivalenten historischen Figur auseinandersetzen, am Herzen liegen. Wer war dieser aufrührerische Revolutionär? Aslan skizziert die jüdische Geschichte seit dem Exil, er erläutert politische, sozialökonomische, kulturelle und religiöse Konstellationen, die zu konfliktträchtigen Gruppenbildungen führten. Das alles wird so dargestellt, dass klar wird, dass Jesus einer der Führer war, die immer wieder auftauchten, um sich gegen die römischen Statthalter zur Wehr zu setzen. Er nimmt ihm sein Alleinstellungsmerkmal, das Christen ihm geben - ganz überwiegend ohne Kenntnis der Realitäten vor 2000 Jahren. Dadurch geraten manche Aussagen von Jesus, etwa die Bergpredigt, in einen anderen Kontext. Es wird auch klar, dass Jesus die messianischen Projektionen nicht gesucht hat. Aslan sieht in ihm nicht den überzeitlichen Religionsstifter, sondern den Menschen in seiner konkreten Umwelt. Das erregt Dogmatiker.

Der Theologe Werner Dahlheim unterscheidet in "Die Welt zur Zeit Jesu" ebenfalls zwischen historischem und geglaubtem Jesus. Auch er geht zurück in die Bewegung, die der Wanderprediger auslöste - und erklärt von daher die Verklärung. Beeindruckt von dem prophetischen Johannes dem Täufer, der das Gericht Gottes herannahen sah, hat der Handwerkersohn seine Mission ausgerichtet. Er will retten, wer sich retten lässt. Die ursprüngliche Lehre Jesu ist endzeitlich geprägt. Nur so erklärt sich, wie Jesus sich angstlos nach Jerusalem wagt, von der Tempelpolizei verhaftet und vor Mitglieder des Hohen Rates gestellt wird. Dann wird er an Pontius Pilatus überstellt, die erhobenen Vorwürfe im Verhör bestätigt Jesus - die Strafe erfolgt sofort und fällt mit dem Kreuzigungstod drastisch aus, um abschreckend zu wirken.

Was sollten seine Jünger, die ihm bedingungslos folgten und alles bis hin zu ihren Familien aufgegeben hatten, tun? Jesus kann nicht für immer tot sein, er muss auferstehen. Nur so war Trost und Zuversicht zu gewinnen. Die Auferstehung ist die Initialzündung für das Christentum, aus ihm erwächst die Mission, daran erstarkt die Bewegung. "Ist Christus nicht auferstanden, ist euer Glaube nichtig", schreibt später Paulus im Brief an die Korinther.

Beide Autoren erklären die Wechselwirkung zwischen lokalen Ereignissen und dem Römischen Reich. Sie betten die christliche Bewegung in ihren sozialen Kontext und erkennen ihre Bedeutung darin, dass sie zur humanistischen Bewegung wurde. Der Eiferer Jesus hat die Welt mit neuen Werten überzogen. So konnte es geschehen, dass aus einer spontanen Bewegung das Christentum geworden ist.

Reza Aslan: "Zelot. Jesus von Nazareth und seine Zeit." Rowohlt, 381 Seiten, 22,95 Euro

Werner Dahlheim: "Die Welt zur Zeit Jesu." C.H. Beck, 492 Seiten, 26,95 Euro

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