Holpriger Weg zur Stabilitätsunion

Brüssel. Die Rettungsaktionen laufen auf Hochtouren. Bis zum Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am 30. Januar sollen die beiden wichtigsten Verträge stehen: die Vereinbarungen über eine Stabilitätsunion und den Europäischen Krisenmechanismus (ESM). Schon jetzt steht fest: Deutschland wird sich nicht in allen Punkten durchsetzen

Brüssel. Die Rettungsaktionen laufen auf Hochtouren. Bis zum Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am 30. Januar sollen die beiden wichtigsten Verträge stehen: die Vereinbarungen über eine Stabilitätsunion und den Europäischen Krisenmechanismus (ESM).Schon jetzt steht fest: Deutschland wird sich nicht in allen Punkten durchsetzen. In der Nacht zum Freitag wurde das Vorhaben, eine Schuldenbremse in den Verfassungen aller Mitgliedstaaten zu verankern, zu den Akten gelegt. Die Mitgliedstaaten sollen sich nun "bindend und dauerhaft" verpflichten, nicht mehr auszugeben, als sie einnehmen. Mehr war nicht drin. Andernfalls hätte zumindest Irland eine riskante Volksabstimmung durchführen müssen.

Das Recht der Kommission, haushaltspolitische Vorgaben erlassen zu dürfen, ist dagegen unumstritten. Höhere Verschuldung wird für "ungewöhnliche Umstände außerhalb der Kontrolle eines Landes" erlaubt - beispielsweise bei einer Rezession. Bei "normalen" Verstößen gegen die Schuldenregeln wird das Barroso-Team aber kein Klagerecht vor dem EU-Gerichtshof bekommen. Die Juristen hatten festgestellt, dass dies mit den europäischen Verträgen kollidiert. Nun soll - auf deutschen Druck hin - eine Klage möglich sein, die von einem oder mehreren Mitgliedstaaten eingereicht werden müsste.

Kanzlerin Angela Merkel hat für Sonntag IWF-Chefin Christine Lagarde, für Montagabend Kommissionschef José Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy nach Berlin eingeladen. Zur Begründung sagte Regierungssprecher Steffen Seibert gestern, beim Fiskalpakt seien noch nicht alle Fragen geklärt. Das ist vornehm ausgedrückt. Tatsächlich häufen sich kurz vor einer Sitzung der EU-Finanzminister am Montag in Brüssel die ungeklärten Fragen. Dabei sollten die Kassenwarte eigentlich letzte Hand an das Papier legen, damit die "Chefs" es eine Woche später verabschieden können.

Auch beim Vertrag über die Errichtung des Krisenmechanismus ESM hakt es. Dabei verspricht man sich von dem 500-Milliarden-Euro-Hilfspaket deutlich mehr als vom Rettungsschirm, da die Mitgliedstaaten sich verpflichtet haben, einen Kapital-Grundstock bar einzuzahlen. Für Deutschland werden im Entwurfspapier 27 Milliarden genannt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) denkt sogar daran, den deutschen Anteil auf einen Schlag zu überweisen, obwohl man in Brüssel Ratenzahlung vereinbart hatte, um die nationalen Kassen nicht zu überfordern. Doch offenbar reicht das nicht. Spanien hat bereits angekündigt, seine Beiträge nicht leisten zu können. Das wäre ein Bruch des Vertrages, noch bevor er unterschrieben wurde. Denn dort verpflichten sich die Mitgliedstaaten, Zahlungsaufforderungen binnen sieben Tagen nachzukommen. Sollte es trotzdem einen Ausfall geben, sind alle anderen verpflichtet, die fehlenden Beiträge zu übernehmen. "Eine Horror-Vorstellung", sagt ein hoher Finanzpolitiker aus Berliner Regierungskreisen. "Das wäre die Inhaftungnahme Deutschlands auf kaltem Weg." Der ESM soll Ende Juli stehen, die Fiskalunion bis Ende des Jahres. Im Moment ist nicht erkennbar, wie das zu schaffen ist.

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