Barcelona, Schattenwelt

In "Biutiful" spielen Sie eine ungewöhnliche Vaterfigur.Bardem: Ja, man sieht im Kino selten Väter, die sich allein um ihre Kinder kümmern. Uxbal hat eine Welt aus Kriminalität, Schwarzarbeit und Menschenhandel um sich herum erschaffen, um zu überleben und seine Kinder zu ernähren

In "Biutiful" spielen Sie eine ungewöhnliche Vaterfigur.Bardem: Ja, man sieht im Kino selten Väter, die sich allein um ihre Kinder kümmern. Uxbal hat eine Welt aus Kriminalität, Schwarzarbeit und Menschenhandel um sich herum erschaffen, um zu überleben und seine Kinder zu ernähren. Aber dann findet er heraus, dass die Kinder nicht nur Brot und Milch, sondern auch Emotionen, Ethik und Ideen brauchen.

Wie kommt es bei ihm zu dieser Veränderung?

Bardem: Uxbal unternimmt drei verschiedene Reisen. Zum einen nach innen, als er erfährt, dass er bald sterben wird. Gleichzeitig muss er sich mit seiner grausamen Außenwelt auseinandersetzen und versucht vor seinem Tod die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Die dritte Reise ergibt sich durch seine spirituelle Fähigkeit, mit Toten in Kontakt zu treten, was ihm hilft, sein irdisches Leben zu ordnen. In diesem Dreieck sucht er nach einem Platz in der Mitte, an dem er frei atmen und sich selbst gehen lassen kann. Dieser Platz ist der Küchentisch, an dem seine Kinder sitzen, um die sich sein Leben dreht.

Sehen Sie Uxbal auch als metaphorische Figur?

Bardem: Uxbal ist bereit, sich für andere aufzuopfern. Diese Fähigkeit ist in unserer Gesellschaft nicht mehr sehr weit verbreitet. Wir müssen lernen, uns selbst ein wenig zurückzustellen, um die Lebenssituation der anderen zu erkennen. Die Immigranten im Film sind keine Nummern oder ein logistisches Problem, sondern Menschen mit den gleichen Bedürfnissen und Ängsten wie wir.

Spiegelt die Schattenwelt von Barcelona im Film die globalen Zustände der Welt wider?

Bardem: Das kann man so sehen. Mit den Kommunikationsmöglichkeiten von heute können wir in Sekundenschnelle erfahren, was auf der anderen Seite der Erde los ist. Zu wissen, was in der Welt geschieht, schafft ein größeres Verantwortungsgefühl, wenn auch nicht bei jedem. Wir sind ein Teil der Welt, in der andere Teile ziemlich heruntergekommen sind. Die einen versuchen Hilfe zu leisten, die anderen ziehen sich angesichts des Schreckens noch mehr in ihr eigenes Leben zurück. Uxbal wird gezwungen, eine Welt aus Ausbeutung und Elend aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Damit steht er repräsentativ für die westliche Gesellschaft, die genau weiß, dass sie eine Menge Elend zu verantworten hat. Es geht nicht um Heldentum, sondern um eine Aufmerksamkeit und Verantwortung, die wir für den Zustand der Welt haben.

In diesem Film geht es auch sehr grundsätzlich darum, inwieweit man sein Schicksal selbst bestimmen kann. Ist jeder selbst seines Glückes Schmied?

Bardem: Ich weiß nicht, ob ich an das Schicksal glaube. Aber ich weiß, dass man, wenn man sein Schicksal selbst in die Hand nehmen will, eine Menge Menschen braucht, die einem dabei helfen. Erfolg ist für mich keine Selbstverständlichkeit.

Erfolg hatten Sie zuletzt auch in den USA. Öffnet sich Hollywood den spanischsprachigen Schauspielern?

Bardem: Die Kulturen haben sich längst vermischt, was sich auch im Kino widerspiegeln muss. Es wäre absurd, wenn ein Land wie die USA, in dem es eine so starke Latino-Community gibt, die spanischsprachigen Schauspieler ignorierte.

Kritik zu "Biutiful" morgen im treff.region. Der Film startet in der Camera Zwo (Sb).

Auf einen Blick

Die anderen neuen Filme der Woche: Regisseur Andres Veiel, der bisher Dokumentationen wie "Blackbox BRD" gedreht hat, legt seinen ersten Spielfilm vor: "Wer wenn nicht wir" (Filmhaus, Sb) erzählt von den Protesten der späten 60er Jahre und den Anfängen der "Rote Armee Fraktion" - gut besetzt mit August Diehl und Alexander Fehling als Andreas Baader, angereichert mit historischem Material. Ebenfalls sehenswert sind die komödiantische Gastarbeitergeschichte "Almanya - Willkommen in Deutschland" (Camera Zwo, Sb) und die US-Produktion "Der Plan" (Cinestar, Sb), nach einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick: Matt Damon spielt einen Politiker, der in die Fänge einer finsteren Organisation gerät - rasant gemachtes Paranoia-Kino. Die Farrelly-Brüder versuchen wieder einmal, an alte Erfolge wie "Verrückt nach Mary" anzuknüpfen. Mit der flachen, in einigen Kinos anlaufenden Klamotte "Alles erlaubt - Eine Woche ohne Regeln"

wird das nicht gelingen. Der Film über zwei Männer, die dem Ehetrott entfliehen wollen, ist reichlich unoriginell. red

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort