Die hohe Kunst, im Rückwärtsgang um die Hütchen zu kurven

Brühl · Von Handwerkern sowie Paket- und Lieferdiensten genutzte Transporter, Leicht-Lastwagen und Hochdach-Kombis sind oft so schnell wie Pkws. In kritischen Fahrsituationen sind sie meist schlechter zu beherrschen, was nicht selten an der Ladung liegt.

 Um Kleintransporter wie den Nissan NV 400 in brenzligen Fahrsituationen sicher zu beherrschen, ist einige Übung erforderlich. Foto: Jacobi

Um Kleintransporter wie den Nissan NV 400 in brenzligen Fahrsituationen sicher zu beherrschen, ist einige Übung erforderlich. Foto: Jacobi

Foto: Jacobi

Viktor Hoesch wuchtet zwei Kästen Mineralwasser aufs glatte Pritschenende des Leicht-Lkws Nissan Cabstar und fragt: "Welche Kiste rutscht bei einer Vollbremsung zuerst zur Kabine, die volle oder die leere?" Der Fahrsicherheitstrainer weiß, dass die meisten Kursteilnehmer falsch tippen, denn kaum einer sagt die gleichzeitige Ankunft beider Kisten voraus.

Sobald Ladung ins Rutschen kommt, verändert sich der Schwerpunkt und somit das Verhalten des Fahrzeugs. "Rutschfeste Matten, Gurte und Netze können in kritischen Situationen wahre Wunder wirken", erklärt Hoesch. Allerdings könne auch sorgsam verzurrte Ladung beim Fahren und Bremsen für unliebsame Überraschungen sorgen. Ein Schreiner, der am Sicherheitstraining teilnimmt, kommt ins Grübeln. Er erkennt, wie leichtsinnig er handelt, "wenn ich mal rasch eine Kommode in meinen Kleinbus schiebe".

Auf einem abgesperrten Parcours in der Eifel hat Autohersteller Nissan seine Nutzfahrzeugpalette zur Verfügung gestellt. 85 Gewerbetreibende sind zu diesem in Handwerkszeitungen ausgeschriebenen Fahrsicherheitstraining erschienen. An der Slalom-Station zirkelt ein Dachdecker als Erstes den Pick-up Navara um die Pylonen. Er ist beeindruckt, wie lange es dauert, bis das behäbige Lastentier an seine Grenzen kommt. Allerdings steht er schließlich doch quer und hat sogar zwei Hütchen umgefahren. Er denkt daran, welche Folgen das für seinen mit Latten, Rohren und Leitern beladenen Pick-up daheim gehabt hätte.

Eindrücklich schildert ein Maler seine Erfahrungen an der Vollbremsungs-Station mit anschließendem Ausweichmanöver: "Mir ist es mal passiert, dass ich mit meinem kleinen Transporter scharf bremsen musste. Danach war der Innenraum großzügig mit neuer Farbe gestrichen." Auch wenn viel gewitzelt wird während des Kurses, das Problembewusstsein nimmt zu und wirft ein neues Licht auf scheinbar einfache und ungefährliche Alltagsfahrten.

Manchmal sind es Kleinigkeiten, die über Wohl und Wehe entscheiden, wie die Stationen Geschicklichkeit oder Hindernisumfahren im Rückwärtsgang zeigen. Wer mit einem Kastenwagen rückwärts manövriert, muss sowohl die richtige Spiegeleinstellung finden als auch den richtigen Einlenkpunkt. Mehrfach ist zu hören: "Ich habe einfach immer gehofft, dass ich in keine allzu komplizierte Situation gerate."

Bis zum Einbruch der Dunkelheit wanken, bremsen, beschleunigen, über- und untersteuern die Fahrzeuge. Die Instruktoren schärfen den Teilnehmern ein, wie verheerend sich mangelnde Ladungssicherung und zu hohe Geschwindigkeit auswirken können. Am Ende des eintägigen Kurses stellt der Schreiner fest: "Mir ist heute ein ganzer Kronleuchter aufgegangen." Kursleiter Viktor Hoesch ist zufrieden, denn genau dieses wollten er und sein Team erreichen.

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