Leichtathletik-EM in Berlin Nicht nur dank Bolt erlebt Berlin ein blaues Wunder

Berlin · Neun Jahre vor den Europameisterschaften war Berlin bei der WM 2009 Mittelpunkt der Leichtathletik-Welt. In Erinnerung blieben viele Momente.

 Die Fabelläufe des Jamaikaners Usain Bolt bei der WM 2009 im Berliner Olympiastadion wird so schnell kein Leichtathletik-Fan vergessen.

Die Fabelläufe des Jamaikaners Usain Bolt bei der WM 2009 im Berliner Olympiastadion wird so schnell kein Leichtathletik-Fan vergessen.

Foto: dpa/A3430 Bernd Thissen

Usain Bolt denkt mit leuchtenden Augen an sein größtes Rennen zurück, Robert Harting spürt noch immer die Magie des Triumphs in seinem „Wohnzimmer“: Die WM 2009 in Berlin war eines der letzten unbeschwerten Freudenfeste der Leichtathletik, ehe sie von Doping- und Manipulationsskandalen erschüttert wurde. Neun Jahre vor den heute beginnenden Europameisterschaften erlebte die unverwechselbare blaue Laufbahn Augenblicke für die Ewigkeit.

„Irgendwie ist dieser Abend weit weg und doch ganz nah. Wenn ich daran zurückdenke, fühle ich eine ganz besondere Energie“, sagt Bolt über jenen 16. August 2009, der zum sportlichen Kulturerbe wurde. Vor seiner Ära nicht für möglich gehaltene 9,58 Sekunden lief der damals 22-jährige Jamaikaner im 100-Meter-Finale. In einem Rennen, das sich in Bolts Gedächtnis eingebrannt hat. „Erst die Stille vor dem Start, dann jubelnde Menschen und ein Meer blitzender Kameras. Das Stadion war elektrisiert. Wie aufgeladen. Es waren unwirklich intensive Augenblicke“, sagt Bolt: „Ich habe diese Energie aufgesogen und einfach nur genossen.“

Vier Tage später durfte Bolt erneut genießen, seine 19,19 Sekunden über 200 Meter sind natürlich bis heute Weltrekord. Besser als in Berlin wurde Bolt nicht mehr, acht weitere Jahre jagte er diese Zeiten vergeblich. Bolt war in Berlin auf dem Höhepunkt seines Schaffens, Hartings Geschichte begann im Olympiastadion erst. „Es ist ein Ort, an dem ich immer extreme Emotionen gespürt habe. Insofern ist die Magie schon drin“, sagt Harting.

Als Vize-Weltmeister war der damals 24-Jährige 2009 angetreten, alles schien wie zwei Jahre zuvor in Osaka auf Silber herauszulaufen. Bis zum letzten Versuch führte der Pole Piotr Malachowski, doch kurz vor Ultimo drosch Harting die Scheibe auf 69,43 Meter, 28 Zentimeter weiter als Malachowski – und drehte danach vor Freude völlig frei.

Harting, zuvor mit Verbalattacken gegen Dopingopfer und Funktionäre in Berlin aufgefallen, zerriss sein Trikot, tanzte oben ohne über die Bahn und hob Maskottchen Berlino in die Luft. „Bis morgen Abend werde ich nicht schlafen und die Sau rauslassen“, sagte Harting, der nun – einen Olympiasieg und zwei weitere WM-Titel später – in Berlin seine Abschiedsvorstellung auf der großen Bühne gibt.

Hartings Auftritt blieb 2009 nicht der einzige deutsche Festtag: Steffi Nerius krönte 37-jährig mit Speer-Gold ihre Karriere, Ariane Friedrich gewann im hochemotionalen Hochsprung Bronze, aus dem inzwischen Silber geworden ist.

Und sonst? Ging in Berlin der Stern der Südafrikanerin Caster Semenya auf, die mit 18 Jahren zu 800-Meter-Gold stürmte und in den Mittelpunkt einer bis heute schwelenden Debatte über Geschlechts-Zugehörigkeit rückte. Holte Äthiopiens Ausnahmeläufer Kenenisa Bekele seine letzten großen Titel. Und wurde Berlino als erstes Maskottchen zum weltweiten Youtube-Knüller.

Der Kunstpelz-Braunbär hatte nämlich Jamaikas Hürden-Weltmeisterin Melaine Walker auf ihrer Ehrenrunde huckepack genommen und war mit ihr im Blindflug kopfvoran gegen einen über die Laufbahn schleichenden Transportwagen geprescht. Neun Jahre später erhält Berlino die Chance auf Wiedergutmachung.

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